Schön traurigArtistin

Erzählungen

Die große Kunst der kleinen Form ist nur wenigen in die Tastatur gelegt. Zu den Meistern der Short Story, wie etwa Poe, Kafka und Carver, gesellt sich mit Adelheid Duvanel (1936–1996) eine wahre Meisterin. Das wird angesichts ihrer gesammelten Kurzgeschichten, die auf das Konto des Zürcher Limmat-Verlags gehen, bald klar. Eine so klare wie kostbare Sprache und eine blühende Fantasie voller Schönheit und Traurigkeit kennzeichnen ihre Texte. Belletristik im besten Sinn: «belle et triste», wie wir Französinnen sagen. Duvanel gibt den Namenlosen einen Namen, ihren Geschichten ein Gesicht. Häufig stürzt man mit den Protagonist_innen schon im ersten Satz ins Geschehen. «Der magere Jochen möchte Isländer sein; er stellt sich vor, dass er dann das Recht hat, zu schweigen und zu fischen.» Oder: «Norma ist schön wie eine Vase, die von einer weißen Hand getragen wird und die sich wünscht, fallengelassen zu werden.» Die wechselvolle Existenz der Autorin spiegeln ihre Figuren kunstvoll wider, sie alle ringen Fern von hier so gut es geht um ihre Würde. «Adelheid Duvanels Erzählungen handeln von Menschen, die sich an das Hiersein nicht gewöhnen können. Menschen, die mit den Spielregeln der Welt nicht zurechtkommen», schreibt Elsbeth Dangel-Pelloquin im Anhang dieser wundersamen Texte einer Dichterin, die eines Tages im Wald erfroren aufgefunden wurde.

Adelheid Duvanel: Fern von hier
Sämtliche Erzählungen
Limmat Verlag 2021
792 Seiten, 40,90 Euro