Schöner sitzen am Reumannplatz?tun & lassen

Im Gegensatz zur Bevölkerung wünscht sich die Wirtschaftskammer Kommerzialisierung

Der Reumannplatz kriegt einen Gastro-Pavillon. Zumindest wenn es nach den Wünschen der Wirtschaftskammer geht. Das freut nicht alle. Eine lokale Initiative befürchtet Aufwertung auf Kosten der bisherigen Platznutzer_innen, weiß Christian Bunke zu berichten.

Illu: Much

400 Quadratmeter groß soll der neue Fastfood-, sorry, Gastro-Tempel am Reumannplatz sein, wenn er denn kommt. Mehrere Anbieter_innen sollen ihn nutzen können. Angedacht ist eine ganzjährige Öffnung, 100 Sitzplätze sowohl drinnen als auch draußen sowie öffentlich zugängliche Toiletten. Angepeilt wird ein Baubeginn im Jahr 2019.

In einer PR-Mitteilung schreibt die Wirtschaftskammer Wien weiter: «Geht es nach den örtlichen Unternehmern, so sollte es am Reumannplatz nach dessen Umgestaltung zusätzlich zu Freiraum und Grünflächen auch einen Gastronomiebereich geben. (…) Dieser würde für Leben sorgen und das Sicherheitsgefühl der Passanten erhöhen. (…) Den Platz zu beleben und so für ein höheres subjektives Sicherheitsgefühl zu sorgen, war auch eines der Hauptanliegen der Anrainer, die von der Stadt Wien bereits 2016 über ihre Wünsche zur Umgestaltung des Reumannplatzes gefragt wurden.» Die Wirtschaftskammer bezieht sich hier auf eine von der Stadtentwicklung Wien in Auftrag gegebene «Funktions- und Sozialraumanalyse», die kurz vor der Erweiterung der U1 Richtung Oberlaa durchgeführt wurde. In der Analyse ging es darum, Stärken und Schwächen des Reumannplatzes sowie die Bedürfnisse von Nutzer_innen und Anrainer_innen zu ergründen.

Zwar findet sich in der Analyse auch der Wunsch nach einem verbesserten gastronomischen Angebot, das Sicherheitsbedürfnis läuft aber eher unter «ferner liefen», wenn man der Studie trauen will. Tatsächlich zeigt sie ein sehr differenziertes Stimmungsbild.

Da wäre einmal die Enge.

Laut der Studie leben in den Straßenzügen rund um den Reumannplatz 334 Menschen pro Hektar. Im Rest Favoritens sind es nur 58,6 Personen, und der Wiener Durchschnitt liegt bei 43,4 Personen pro Hektar.

Wer auf sehr beengtem Raum zusammenlebt, steht auch oft finanziell nicht so gut da. Die am Reumannplatz lebenden Menschen haben ein durchschnittliches Jahresnettoeinkommen von 18.184 Euro. Der Wiener Durchschnitt liegt bei 20.890 Euro. 2013 lag die Arbeitslosenquote in der Gegend bei 15,4 Prozent, Während sie in Gesamt-Wien bei 10,2 Prozent lag.

Aus all dem zieht die Studie den folgenden Schluss: «Der Reumannplatz ist in seiner Nutzungskapazität (als Grünfläche) überlastet, da er für sehr viele Einwohner_innen der in 500 Metern erreichbare öffentliche Grün- und Freiraum des Wohngebietes ist.» Und weiter: «Es ist auch ein Hinweis dafür, dass die Anrainer_innen rund um den Reumannplatz besonders auf die Nutzung öffentlicher Räume angewiesen sind, da sie in beengten Wohnverhältnissen leben und über keine privaten Freiräume verfügen. Innerfavoriten ist angesichts der hohen Bevölkerungsdichte hinsichtlich Grün- und Freiräumen mit Spiel-, Sport- und Erholungsfunktion unterversorgt.»

Einmalig in Wien.

Kritiker_innen des geplanten Gastro-Pavillons sind nicht der Auffassung, dass er diese Problemlage positiv beeinflussen kann. Im Gegenteil. «Es fällt unangenehm auf, dass in den Symbolzeichnungen für das Projekt die bislang am Reumannplatz vorhandenen Sitzbänke fehlen, sagt der in der Initiative Offener Reumannplatz aktive Robert Sommer. «Dabei ist es in Wien bislang eine Einmaligkeit, dass der Reumannplatz so viele Sitzbänke ohne Konsumzwang hat. Die geplante Neuerfindung des Platzes erscheint mir deshalb als euphemistische Wendung für die Gentrifizierung des Platzes.»

Auch die Sozialraumanalyse der Stadt Wien beschäftigt sich mit den Sitzbänken: «Weiters werden am Reumannplatz auch die vielen Sitzmöglichkeiten geschätzt, auch wenn diese ob der hohen Nutzer_innenfrequenz oftmals nicht ausreichen, um allen Besucher_innen Platz zu bieten.» Zu den wichtigsten Forderungen der Nutzer_innen des Reumannplatzes zählt deshalb eine Ausweitung des nichtkommerziellen Sitzplatzangebotes. Außerdem wünschen sich die Menschen laut Studie einen größeren Kinderspielplatz, öffentliche Toiletten sowie bessere Radverbindungen.

Kein Wunsch nach Kommerzialisierung.

Tatsächlich wird auch die Forderung nach einem verbesserten Gastronomieangebot aufgestellt. «Von einigen – vor allem kaufkräftigeren – Interviewpartner_innen wurde bemängelt, dass es am Platz zusätzlich zum Eissalon Tichy kein weiteres gastronomisches Angebot – ein Lokal, ein Kaffeehaus oder Ähnliches – gibt, das mit Sitzgelegenheiten und guter Küche zum längeren Verweilen einlädt (…).» Aber: «Vermehrte Sitzmöglichkeiten (ohne Konsumzwang) werden von Personen aller Altersgruppen (…) vielfach eingefordert (…).» Zwar werden auch Tische gewünscht, gleichzeitig aber auch Verständnis dafür geäußert, dass dafür am Reumannplatz ob der hohen Nutzer_innenfrequenz kein Platz sei.

Betrachtet man den Forschungsstand in Sachen Reumannplatz, kann also keine Rede davon sein, dass die Bevölkerung eine Kommerzialisierung des Platzes wünscht. Robert Sommer kündigt deshalb schon weitere Aktivitäten der Initiative Offener Reumannplatz an, auch wenn die Planungen erst am Anfang stehen. Man darf gespannt sein.

 

Pressekonferenz:

Initiative für einen offenen Reumannplatz

Zeitpunkt: Freitag, 5. Oktober 2018 10:00 Uhr

Ort: Reumannplatz, Bereich der überdachten, aufgelassenen Straßenbahnstation der Linie 67

Veranstalter: Initiative Offener Reumannplatz (IOR)

Nähere Details:

http://ior.kulturraum10.at

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