Schreiben und sprayen gegen das VirusArtistin

Literatur & Graffiti

Das Jahr 2020 wird aus gesundheitlicher, sozialer und kultureller Sicht als unrühmliches in die Annalen eingehen. Dunkle Zeiten brachen auch für Kunstschaffende an, die schlagartig ohne Publikum dastanden. Jene unter ihnen, die naturgemäß immer schon im Homeoffice arbeiteten, konnten mit der Situation etwas leichter umgehen. Davon zeugt auch der vorliegende, bei Midas publizierte Sammelband mit Texten internationaler Autor_innen, die das Aargauer Literaturhaus eingeladen hatte. Von den insgesamt 44 Mitwirkenden ragen ein paar mit gedanklicher und stilistischer Brillanz heraus: A. L. Kennedy trumpft mit einem Text gegen den britischen Sozialdarwinismus auf, Peter Stamms Corona-Tagebucheintragungen lohnen in ihrer Klugheit ebenso das Lesen wie die Analyse wahrhaftiger Solidarität von Zsófia Bán sowie einige der vielen Stimmen in der Fortsetzungserzählung am Ende des Lesebuchs. Fazit: Schwellenzeit ist ein mitunter überaus lesenswerter Reader, aus dem hervorgeht, dass Literat_innen zwar auch meist nicht weiterwissen als Otto und Ottilie Normalverbraucher_in, es aber im Idealfall mit Originalität, Dichtung und Wahrheit auf einen grünen Zweig bringen.
Gleichzeitig publiziert der Zürcher Verlag Graffiti aus aller Welt, die sich mit dem C-Thema auseinandersetzen – vorwiegend aus Europa, gefolgt von Amerika, Asien und Australien. Als Herausgeber fungiert der auf Street Art spezialisierte Kurator Xavier Tapies. «Von allen Kunstformen war einzig die Street Art in der Lage, die außergewöhnliche Zeit widerzuspiegeln», behauptet er beinhart im Vorwort und versteht diese Sammlung von Bildern und Kurztexten dazu «auch als Aufruf an weitere brillante Street-Artists da draußen, sich frei zu machen und die Stimmungen dieser seltsamen Zeit auszudrücken».

Xavier Tapies (Hg.): Street Art
in Zeiten von Corona
Midas Verlag 2020
128 Seiten, 16,90 Euro

Bettina Spoerri, Anne Wieser (Hg.): Schwellenzeit.
44 Autorinnen und Autoren
schreiben zur Corona-Zeit
Midas Verlag 2020
234 Seiten, 22 Euro

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