«Schützenhöfer vor Gericht»Artistin

Über die Kunst, ohne Heimat daheim zu sein

Er ist schon vieles gewesen. Ein Steirer, ein Meidlinger, ein Amerikaner. Auch ein Angeklagter.  Seine Werkschau unter dem Titel «Schützenhöfer vor Gericht» im Meidlinger Bezirksgericht im U4-Zentrum (Eingang Ruckergasse 2) legt davon Zeugnis ab. Dortselbst ließ sich Augustin-Mitarbeiter Karl Weidinger Schützenhöfers Arbeitsweise des «narrative painting» erklären.Josef Schützenhöfer, Jahrgang 1954, ist ein Arbeitermaler, der gerne durch die Ausstellung führt. Und auch ein Bilderstürmer? «Nein, eher Sturm in den Bildern. Aber Arbeitermaler, ja! Das ist ein Milieu, da fühle ich mich wohl in den Fabriken wie bei Steyr, Puch und Semperit oder bei Triumph in Hartberg. Bei manchen Bildern ist die Bewegung sehr klar, bei manchen geht mir einfach die Energie aus.» Jede Arbeit kann langwierig und ermüdend sein, auch jene des nur beobachtenden Künstlers.

Schützenhöfers Arbeitsweise ist das «narrative painting». Eine Technik der Vorkriegszeit, mit dem symbolischen «Helden der Arbeit» im Zentrum. Bei Stronach und Klestil kommt dieser Aspekt sicher mehr zum Tragen als im namenlosen proletarischen Schaffensprozess. «Der Kampf gegen Gewerkschaften ist eine Stronach-Sache. Die Stimmung war besonders in der Pinzgauer-Produktion, heute das Puch-Museum, am Tiefpunkt. Die waren alarmiert, 1999, als diese Verhandlungen mit Stronach im Werk stattfanden. Und das ist eben Narrative Painting. Ich nehme die Geschichte dieser Arbeiterschaft und deren Sorgen auf und verarbeite alles auf meine Art in den Bildern.»

Dabei gibt sein Leben auch allerhand Stoff für Verarbeitung her. «Als Teenager wollte ich in die Modeschule Hetzendorf, dort bin ich nicht untergekommen und habe dann bei Seiden-Semmler in der Meidlinger Hauptstraße gearbeitet.» Schützenhofers Wien in seiner Erinnerung ruht in den 1970er-Jahren. «Wien war damals sehr grau, und die Polizei ein Angstbild für mich.»

 

«Der Polizist hat mir sofort eine Watschen gegeben»

 

Der Grund für seine Emigration in die USA ist gerichtsanhängig – und verjährt. Die Ursache für das Verlassen des Landes 1973 als 19-jähriger renitenter Jugendlicher war ein Konflikt mit der Obrigkeit, der ihn für 28 Tage in den Arrest führte und auch vor Gericht brachte.

«Damals vor dem Kunsthistorischen Museum hat die Polizei einen Betrunkenen oder Obdachlosen bedrängt, der in der Wiese gelegen ist. Ich war erschüttert, dass die Staatsmacht so elendig agiert und den mit den Füßen gestoßen hat. Ich bin hingegangen und habe gesagt: So könnt’s ihr nicht agieren. Der Polizist hat mir sofort a Watschen gegeben, und ich habe ihm eine Watschen zurückgegeben. Das ist nicht so gut angekommen. Dafür bin ich 28 Tage in der Rossauer Lände gesessen. Und die Verurteilung danach: eineinhalb Jahre bedingte Strafe. Das war mir ein absolutes Zeichen: Da gehe ich weg! Und ein Jahr später war ich weg.»

Die Jahrzehnte in den USA erzeugten Narrative, die sich bei ihm zurückstauten. Etwa der Umgang mit Kriegsopfern, ohne Aufrechnung und Abwertung. Die deutsche U 85 wurde 1942 an der Küste vor Norfolk im US-Bundesstaat Virginia versenkt. Die 29 geborgenen Leichen wurden neben den Einheimischen bestattet. Trauer für die Gefallenen des Kriegsgegners: Im Kameradschaftsbundland unvorstellbar. «Das war mitten im Krieg. Das hat sich stark eingeprägt, das Motiv, als ich davon erfahren habe. Nach meiner Rückkehr habe ich die überdimensionierten Kriegerdenkmäler hier gesehen. Und hab mir gedacht: Da fehlt doch einiges. Da fehlt der Widerstand, die Geschichte von Deportierten. Es wird nur ein Teil der Geschichte erzählt, und der auch sehr verbogen.»

 

In der steirischen Idylle wurden immer mehr braune Flecken sichtbar

 

Die Entscheidung für die Rückkehr fiel 1995, weil er am kulturellen Pluralismus in Europa teilhaben wollte. «Das war ein Beweggrund, nach Europa, nicht nach Österreich, zurückzukommen. Und ich habe Europa gegenüber Arizona bevorzugt», sagt er, «unter erschwerten Bedingungen.»

Unter erschwerten Bedingungen. Seit seiner Rückkehr als 43-Jähriger, vor etwa 18 Jahren, hat er in der Blumengemeinde Pöllau im steirischen Joglland sein Atelier aufgeschlagen. Auch lange nach der angeblich aufgearbeiteten Zeit stieß er hier auf heftige Widerstände. «Ich bin 1997 zurückgekommen, konnte mir mit meinen angesparten 20.000 Dollar kein Atelier in Wien leisten, so ist es die Provinz geworden.» Doch die Rückkehr nach der langen Zeit von knapp zwei Jahrzehnten erwies sich als problematisch. «Ich war überwältigt von der Idylle hier, aber dann sind immer mehr braune Flecken herausgekommen. So hat sich da eine sehr schwierige Beziehung aufgetan.»

Pöllau sieht er nur mehr als «my home away from home». Daheim ohne Heimat? Mit seinem Zugang wurde er das Ziel des dort heimischen Kameradschaftsbundes. «Und a bisserl kurios. Da fragt der Bürgermeister, immerhin eine gewählte Instanz, beim Kameradschaftsbund an, ob ich das malen darf. So geht das nicht. Wo bin ich da? Ein Zimmergewehrschießverein will auf meiner Leinwand mitmalen. Unglaublich, so eine Dummheit!»

 

Das Liberation Art Project

 

Durch sein «Liberation Art Project» hat Schützenhöfer viel Beachtung erfahren. Er hat einiges über die Befreiung seines Wohnorts Pöllau zu Kriegsende 1945 recherchiert. Stein des Anstoßes war die einseitige Darstellung auf den Kriegerdenkmälern. Jegliche Würdigung der fremden Opfer (also beibehaltenes Freund-Feind-Schema) erweckte Widerstand auf Seiten der alten Recken. «Der Bürgermeister hat gemeint: Wir wollen doch die Feinde unserer Väter nicht verherrlichen. Ich war schockiert von der Wortwahl, das war 2003 oder 2004.» 2001 hatte er zusammen mit Künstlerkolleginnen aus den USA eine Skulptur realisiert, die ausdrücklich an die gefallenen Soldaten der Alliierten, also an die Befreier Österreichs erinnert. Vor allem an die Piloten der US-Bomber, die im Raum Pöllau abgeschossen wurden.

Aber es fehlt auch nicht an Solidarischen. «Das Ding am Bezirksgericht Meidling im fünften Stock, das freut mich sehr. Unbequeme Arbeiten sind nicht das, was man in solchen Räumlichkeiten erwartet.»

Das Bundesministerium für Justiz und das Bezirksgericht Meidling stellen ausgerechnet ihn aus. Zum Anlass des 70. Jahrestags der Befreiung Österreichs und Gründung der Zweiten Republik (1945), des 60. Jahrestags des Staatsvertrags (1955) und des 20. Jahrestags der Mitgliedschaft Österreichs in der EU (1995).

Unter Anerkennung fällt auch die Anfertigung zweier Porträts des vormaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil – ein Auftragswerk für die Hofburg. «Aber Arriviertsein ist nicht so meins. Das ist was für die Elite, da gehöre ich nicht dazu. Das Feld der Arbeit in den Fabriken, die immer mehr verschwinden, ist für mich zugänglicher.»

Der «Held der Arbeit» hat den Imperator, den ruhmreichen Feldherren, als Motiv abgelöst. Erinnerlich ist Schützenhöfer vor allem «dieses grässliche Muster der Ananas-Tapete in der Hofburg». Das zweite Bild trägt den Titel «Präsident bis auf die Unterhose». «Vielleicht haben sie es deswegen nicht mögen, weil das doch nicht so ein korrekter Titel für das Porträt des Präsidenten ist.»

Und dabei das immer wiederkehrende Argument der Tour-Guides, dass einem von jedem Punkt des Raumes immer die Augen verfolgen würden – wie auch die eigene Vergangenheit. Und auch die Probleme mit der Obrigkeit. «Ja, der direkte Blick wurde eingefordert.» Aber den hat Schützenhöfer sowieso immer. Und wird diesen nie mehr ablegen. Ganz gleich, ob in Meidling, in der Steiermark oder in Amerika.