Schule, die allen nützttun & lassen

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Bei gleichen Leistungen bekommen ärmere Kinder schlechtere Noten. Bei gleichen Noten treten ärmere Kinder seltener in die AHS über. Zwei aktuelle Ergebnisse aus dem Bundesinstitut für Bildungsforschung.

Bettina Kellner muss genau rechnen mit ihrem kleinen Einkommen und den drei Kindern. Schulanfang und Kosten sind immer ein Problem. Nachhilfestunden sind da ohnehin nicht mehr drin. Zu Hause ist es auch sehr eng in der kleinen Wohnung. Alles geht, sagt Frau Kellner. Und es muss gehen. Die älteste Tochter von Frau Kellner, Petra, passt auch an vier Nachmittagen auf die kleineren Geschwister auf. Da ist die Mutter bei der Arbeit. Und wenn die Mutter nicht mehr kann, springt sie ein. Im letzten Winter haben sie uns den Strom abgedreht, erinnert sich Bettina Kellner. Es war bitter kalt in der Wohnung. Die Kinder haben geweint. Und wochenlang nicht gelernt. Petra, jetzt vierzehn, fühlt alles akut mit, sieht, dass wir mit den täglichen Aufgaben allein dastehen. Nahe Verwandte in der Nähe gibt es nicht, und meine Mutter im Waldviertel ist selbst bettlägerig. Das Mädchen ist mit der Schule und den Herausforderungen der Pubertät eigentlich überfordert, knickt immer wieder ein, wird krank und von lähmender Müdigkeit befallen. Viele Jugendliche reagieren mit depressiven Verstimmungen auf belastende und überfordernde Situationen.Es ist nicht ein einziger Faktor, der zu schlechten Schulleistungen führt. Es ist auch nicht ein einziger Faktor, der Kinder aus ökonomisch benachteiligten Familien geringe Aufstiegschancen beschert. Es ist die Kombination aus einem Bündel von Kriterien: Eine überbelegte Wohnung fällt zusammen mit einer Halbtagsschulordnung. Wenig Einkommen trifft auf ein einkalkuliertes Nachhilfesystem. Keine Unterstützung zu Hause kommt mit eigener Erschöpfung und Unkonzentriertheit zusammen.

Schule ist, auch wenn sie die längsten Jahre verpflichtend ist, ein Angebot an Kinder und Jugendliche. Nicht erspart bleibt Lehrenden und SchülerInnen: Auseinandersetzung, pädagogische Grenzziehung und auch Scheitern. Schule kann aber die Begabungsreserven der ihr anvertrauten Kinder mehr oder weniger entwickeln. Alle internationalen Bildungsstudien zeigen dieselben Tendenzen auf. Die sechs entscheidenden Faktoren für Lernerfolg aller sind (1) die Organisation des Schulsystems: den Grad der Selektivität, das heißt gemeinsame oder getrennte Schulform während der Pflichtschulzeit; ganztägige Formen; (2) der sozioökonomischen Status der SchülerInnen: Bildungsabschlüsse der Eltern, Berufspositionen der Eltern, kulturelle Güter im Haushalt; (3) die sozioökonomische Zusammensetzung der Schule; (4) die Schulressourcen; (5) die Schul- beziehungsweise Unterrichtsprozesse und (6) das Schulklima und die Lernumgebung.

Die Aufstiegschancen von Kindern aus ärmeren Elternhäusern sind in Österreich nur unterdurchschnittlich. In Österreich haben wir eine im europäischen Vergleich geringe Kinderarmut, aber nur durchschnittliche Werte bei den sozialen Aufstiegschancen von Kindern aus ärmeren Haushalten. Bildung ist nicht der einzige, aber einer der effektivsten Faktoren, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Die Schule hat eine zentrale Verantwortung dafür, ob die Bildungschancen vom Talent des Kindes oder bloß vom Status der Eltern abhängen.