Schwechater Sumpflandschaftentun & lassen

Immo Aktuell

In der Schwechater Veranstaltungshalle Multiversum sind Millionen versickert. Eine verworrene Geschichte, in der es nun Anklagen hagelt.

Text: Christian Bunke
Illustration: Much

Gelb steht sie da und leuchtet sicher auch im Dunkeln, die Schwechater Multifunktionshalle mit dem klangvollen Namen Multiversum. Die Bauzeit für die 2011 eröffnete Halle betrug vier Jahre. Die dazugehörige Rechnung brachte die Stadt an den Rand der Pleite. Gegen eine Reihe mutmaßlicher Akteur_innen wird schon seit längerem ermittelt. Im April erhob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft unter anderem gegen den ehemaligen Bürgermeister Hannes Fazekas (SPÖ) sowie einige Beamt_innen des Sportministeriums Anklage wegen versuchten schweren Betrugs beziehungsweise versuchter Untreue. Ermittlungen gegen den ehemaligen Sportminister Norbert Darabos (auch SPÖ) wurden zwischenzeitlich eingestellt. Soweit berichtete am 17. April das profil. Alle Beschuldigten weisen die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zurück.

Voreilige Sportförderung.

Bei der vorliegenden Anklage geht es um 7,8 Millionen Euro Sportförderung, die im Zusammenhang mit dem Multiversum zu Unrecht zugesagt worden sein sollen. Eine Weisung für die Auszahlung dieser Gelder durch das Sportministerium habe es nie gegeben, die Beamt_innen im Sportministerium hätten im «vorauseilenden Gehorsam» gehandelt, wird die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft unter anderem in profil und Standard zitiert.
Das sind hohe Summen. Es geht aber um noch viel mehr Geld. Die Baukosten für das Multiversum sind von ursprünglich geplanten 37 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro angestiegen. Dieser Kostensprung trug mit dazu bei, dass sich die finanziellen Haftungen der Stadt Schwechat zwischen den Jahren 2008 und 2012 von 3,88 Millionen auf 28,77 Millionen Euro erhöht hatten. Im Jahr 2014 machte ein Rechnungshofbericht Schlagzeilen im Blätterwald, wonach mit diesem Schuldenanstieg verbundene Kompetenzüberschreitungen zur Beinahe-Zahlungsunfähigkeit der Stadt Schwechat geführt hätten. Die Wiener Zeitung schrieb am 4. Juni 2014, dass der damalige Bürgermeister Fazekas und dessen Stadtamtsdirektor Franz Kucharowits ohne Zustimmung des Gemeinderats Verträge abgeschlossen und Haftungen übernommen haben sollen. Fazekas hatte wegen all dieser ihm vorgeworfenen Unregelmäßigkeiten bereits im Jahr 2013 seinen Hut genommen.
Bei den Gemeinderatswahlen 2015 verlor die SPÖ Schwechat 23 Prozentpunkte – die Schlappe wurde als Reaktion der Bevölkerung auf die Finanzquerelen rund um das Multiversum gewertet. Gerhard Frauenberger (SPÖ), der Amtsnachfolger von Hannes Fazekas, trat als Reaktion auf die Niederlage kurz nach den Wahlen zurück. Seitdem führt Karin Baier (SPÖ) die Geschäfte – das Multiversum immer im G’nack.

Die Pleite der Schlagerakademie.

Von Beginn an wurde die Entstehungsgeschichte des Multiversums nicht nur von politischen Akteur_innen, sondern auch privaten Investor_innen begleitet: allen voran vom Ex-Tischtennisweltmeister Werner Schlager. Auch gegen ihn wird in Sachen Multiversum ermittelt, auch für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Gemeinsam mit einem Geschäftspartner betrieb Schlager bis zum Ende des Jahres 2016 im Multiversum die sogenannte Werner Schlager Academy, ein international renommiertes Trainingszentrum für Tischtennis. Im Oktober 2015 ging die Akademie Pleite. Das war ein weiterer Rückschlag für das Multiversum, denn die Werner Schlager Academy hielt 33 Prozent Anteile am Gebäude. Seitdem tobt zwischen Fazekas und Schlager eine medial ausgetragene Schlammschlacht darüber, wessen Schuld das Finanzdebakel nun eigentlich ist. Schon im Februar 2014 hatte Hannes Fazekas in einem offenen Brief Vorwürfe erhoben. So soll die Akademie Betriebskosten in sechsstelliger Höhe nicht bezahlt, eine jährliche Förderung in siebenstelliger Höhe von der Gemeinde gefordert und gleichzeitig von angeblich gesellschaftsrechtlich bedenklichen Förderungen für das Multiversum profitiert haben.

Familiensilber oder Klotz am Bein.

Die Stadt Schwechat wurde Alleineigentümerin des Multiversums. Das hatte sich spätestens jetzt zur ungeliebten Hypothek entwickelt. Eine Hypothek, die man schleunigst loswerden wollte. Die Stadt startete in der Folgezeit verschiedene Versuche, das Objekt zu verkaufen. Im Jahr 2017 wurde ein Investorenangebot in Höhe von 10 Millionen Euro abgelehnt. Ende Oktober 2020 stimmte eine große Mehrheit im Schwechater Gemeindeparlament für den Verkauf der Halle an die Akron-Gruppe. Der Immobilienkonzern besitzt Objekte in Österreich, Polen, Ungarn, der Ukraine und Russland. In Wien gehört das Einkaufszentrum K1 am Kagraner Platz zum Portfolio. Für den Kauf des Multiversums musste die Akron-Gruppe 20 Millionen Euro hinlegen. Verglichen mit den Baukosten ist das ein Spottpreis. Nur die ÖVP stimmte dagegen und sprach von einer Verschleuderung des Familiensilbers der Stadt. Das Geld soll nun zur Schuldentilgung verwendet werden. Immerhin erhält die Stadt Pachtrechte im Multiversum, ohne die nicht einmal das Stadtparlament einen Tagungsort hätte.