Schwimmende SchweineArtistin

Bibliotick

Sind Silberfischchen Vorboten des Wasserrohrbruchs? Mag mich die Mehlschwalbe? Und hat die Blindschleiche tatsächlich ein Augenleiden? Letzteres sei hier verraten: Nein! Ihr Name ist einfach nur eine schwachgeistige Übersetzung des mittelhochdeutschen «plintslîcho», was so viel wie «Blendschleiche» heißt und ihre silbrig glänzenden Schuppen meint.

Auf solcherlei Fragen hat Ernst Molden in eigener Forschung Antworten gefunden. Ernst Molden, ja, der mit den Liedern und der Gitarre, ist unter die Soziobiologen – oder die Biosoziologen? – gegangen. Kurz, er schreibt Miniaturen über Tiere und wie und wo sie dem Menschen über den Weg laufen. Und warum der Mensch sie laufen lassen soll (außer sie schmecken dem Autor selbst so gut, dass er eine Ausnahmeregelung angebracht findet). In seinem Fauna-Werk Das ­Nischenviech werden rund siebzig Tiere vom Bankivahuhn übers Fiakerpferd bis zur Saugbarbe vorgestellt, deren Porträts Molden im Original für das ­Universum Magazin verfasst hat.

Darin erfahren wir, dass die Guppys im Aquarium des mittleren Sohnes Eltern werden, dass Moldens Großmutter den Weihnachtskarpfen als «schwimmendes Schwein» klassifizierte, wir hören zwischen den Seiten des Buches das Flattern des Zaunkönigs, das Nagen des Bibers und den Lockruf des Dompfaffs, und wir schwören: Jetzt, wo der Frühling kommt, werden auch wir schweigend und ohne Handystöpsel im Ohr durch den Wienerwald, den Prater, die Lobau spazieren, aufmerksam nach rechts, links, oben, unten spähend, um mit Baldachinspinne und Ziegenmelker Zwiesprache zu halten.

Wir bestaunen die Schleiereule, aber betrauern auch die Maus, die ihr zum Opfer fällt, wir fiebern mit der Blind- oder Blendschleiche mit, die von Mödlinger SUV-Fahrern als Schlange verkannt wird, aber wir fühlen auch mit dem kleinen Teenie-Molden, der – so erfahren wir im Kapitel über den Equus Asinus, den «Sympathiekaiser unter den Nutztieren» und «Bandgründer» der Bremer Stadtmusikanten – seinerzeit auf die selbergemachte Weihnachtskrippe (ausgestattet mit Ochs und Esel) in Werken nur einen Dreier bekommen hat. Auf seine Tiergeschichten kriegt er jedenfalls einen Einser.


Ernst Molden: Das Nischenviech

Illustrationen: Helmut Pokornig

Deuticke 2019, 176 Seiten, 20,60 Euro