Seemannsgarntun & lassen

Arbeiter_innenaufstände auf hoher See

«Wenn aber fremde Nationen kommen und sich auf Inseln und in Ländern gewaltsam festsetzen, Festungen bauen und Gesetze erlassen und den Menschen Sitten aufzwingen, die der wahren Natur und den Völkern dieser Orte widersprechen, ohne die Zustimmung der Menschen – wie sich das mit dem Gesetz Gottes und der Religion verträgt, zu der wir uns bekennen, darüber soll die Welt richten».

Dieses antiimperialistische Zitat stammt aus der Zeit zwischen 1659 und 1703, aus dem Tagebuch Edward Barlows, eines englischen Seefahrers, der schon mit 13 Jahren bei der Marine anheuerte und sein gesamtes Leben auf See verbrachte. Der US-Historiker Marcus Rediker widmet Barlows detailliertem und persönlichem Bericht ein ganzes Kapitel seines Buches «Gesetzlose des Atlantiks. Piraten und rebellische Seeleute in der frühen Neuzeit», das nun in der deutschen Übersetzung von Max Henninger vorliegt. Denn durch das Tagebuch bekommt man Einblick in das Leben auf europäischen Hochseeschiffen, die (ausbeuterischen) Arbeitsbedingungen von Seefahrern und die Entwicklung eines Mannes hin zum Kritiker eines globalen Systems. «Das europäische Hochseeschiff –», schreibt Rediker im Prolog, «und die Seeleute die es in Bewegung setzten – haben die Welt verändert.» Seine zentrale These: Auf See wurde Geschichte geschrieben, die in der herkömmlichen Geschichtsschreibung oft vernachlässigt wird. Von Meutereien, Piraten und aufständischen Sklaven, die im Unterdeck rebellierten, von der Oral History des «Seemannsgarns» und von den revolutionären Gesellschaftsideen, die ein «buntscheckiger Haufen», wie er die internationalen Seefahrer bezeichnet, dabei entwickelten und die treibende Kraft der amerikanischen Revolution waren, erzählt er in dem Buch. Das ist zwar ein akademisches, akribisch an Quellen erarbeitetes Werk, aber im Grunde so spannend zu lesen wie ein Abenteuerroman. Wer mehr darüber erfahren möchte, wie die Grundlagen dessen, was wir heute als «Globalisierung» bezeichnen, damals gelegt wurde und wie Leben auf See aussah, dem sei das Buch wärmstens empfohlen.

Marcus Rediker:

Gesetzlose des Atlantiks. Piraten und rebellische Seeleute in der

frühen Neuzeit

(übersetzt von Max Henninger)

mandelbaum 2017

310 Seiten, 18 Euro

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