Lokalmatador
Matthias Wastian lebt von der Mathematik, und noch viel mehr vom Rollstuhlbasketball. Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang
Wenn ihm während des Trainings der Sitting Bulls ein Dreipunktewurf oder ein ideales Zuspiel gelingt, dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Dann sind die Aufgaben des Alltags in weite Ferne gerückt. Dann ist Matthias Wastian in erster Linie Leistungssportler.
Wastian wurde vor 35 Jahren mit einer Krankheit geboren, die in der Medizin «Spina Bifida» genannt wird. Diese basiert auf einer Fehlbildung in Wirbelsäule und Rückenmark – im sehr frühen Embryonalstadium. Während einer kurzen Trainingspause erklärt der Basketballer: «Bei mir können die Nerven zwischen dem zwölften Brust- und dem ersten Lendenwirbel ihre Funktion nicht richtig erfüllen.» Mit nachhaltigen Folgen: «Meine Hände, meine Arme, die Schultern und der Rücken sind voll beweglich. Einzelne Stränge der Bauchmuskulatur kann ich hingegen nicht bewegen, und die Beine gar nicht.»
Erste Körbe.
Der Sport ist ein wichtiger Bestandteil in seinem Leben, betont einer der besten Rollstuhlbasketballer des Landes dann. Die ersten Körbe hat Matthias Wastian im Turnunterricht erzielt: «Wir hatten im Gymnasium in Sankt Veit an der Glan einen sehr lässigen Turnlehrer. Der hat mich von Anfang an zum Sporteln motiviert. In der vierten Klasse hat er mich gefragt, ob ich es nicht einmal mit Basketball probieren möchte.»
Er mochte, und fand sofort Gefallen am diffizilen Wechselspiel seiner Hände und Gehirnhälften. Gut ist diese Komplexität im Training zu erkennen: Kräftig taucht der Spieler seinen Rollstuhl an, um sich in Position zu bringen, schon muss er den Ball fangen und sofort weiterwerfen.
Schon als Gymnasiast fuhr er erste sportliche Erfolge ein, bei den Carinthian Broncos. Nach der Matura startete Matthias Wastian eine semiprofessionelle Karriere, die ihn zu europaweit angesehenen Rollstuhlbasketballvereinen in Spanien und Deutschland führen sollte.
Ebenso zielstrebig studierte er an der Technischen Universität Wien technische Mathematik, eine wissenschaftliche Disziplin, der er inzwischen mehr Zeit und Aufmerksamkeit schenkt als dem Sport, nicht zuletzt deshalb, weil sie ihm ein sicheres Einkommen garantiert.
Das Team der Sitting Bulls übt heute – wie so oft – in einer Sporthalle in Klosterneuburg, es sammelt seit Jahren einen Meistertitel nach dem anderen. «Hier möchte ich meine sportliche Karriere ausklingen lassen», erklärt Matthias Wastian nach dem Training. Als Guard ist er zentraler Akteur im Aufbauspiel der Startingfive. Dabei genießt er das volle Vertrauen seines Trainers und den Respekt seiner größtenteils jüngeren Mitspieler.
«Der Sport ist ein idealer Ausgleich zu meinem Beruf», fügt der Routinier hinzu. Tagsüber versucht der Mathematiker, sehr spezielle Rechenaufgaben zu lösen. Im Wesentlichen geht es dabei darum, das Knowhow aus den Bereichen Künstliche Intelligenz und Simulation für praktische Anwendungen zu nützen: «Wir entwickeln in unserer Firma Modelle, um zum Beispiel Lokomotiven im Güterverkehr effizienter einzusetzen.» Eine schöne Aufgabe in einer Zeit, in der man vermehrt Synergien zwischen Ökonomie und Ökologie erzielen möchte: «Wir können mit unseren Berechnungen die Planung erleichtern, um am Ende Material, Energie, Personalkosten, Zeit und damit auch Geld zu sparen.»
Schöne Freundschaften.
Das analytische Denken hilft ihm auch im Spiel zwischen den Körben, kann der Techniker sagen. Darüber hinaus darf er auf seine Erfahrung als langjähriger Nationalteamspieler vertrauen – und auf seine ungebrochene Liebe zu seinem Sport: «Sich in einer Mannschaft zu beweisen, sich gegenseitig zu unterstützen, das ist schon ein sehr schönes Gefühl. Ich konnte mit etlichen Menschen schöne Freundschaften schließen, und das über den ganzen Erdball.»
Seine körperliche Beeinträchtigung wird im Rollstuhlbasketball mit dem Koeffizienten 2,5 bewertet. Zur Erklärung: Spieler_innen, die bereits ab dem sechsten Brustwirbel gelähmt sind, werden laut Regulativ mit 1,0 eingestuft, Nichtbehinderte (auch die dürfen mitspielen) deutlich höher, mit 4,5. Alles in allem darf es ein fünfköpfiges Team während eines Spiels auf maximal 14,5 Punkte bringen.
Dem Sport möchte Matthias Wastian auch nach seiner aktiven Karriere erhalten bleiben. Daher hat er bereits vor zwei Jahren die Ausbildung zum Übungsleiter mit einer B-Lizenz abgeschlossen. «Damit darf ich auch Zweitliga-Basketballer ohne Rollstuhl trainieren.»
Vorerst sieht er sich aber noch als Aktiver. Die Sitting Bulls sind auch in diese Saison exzellent gestartet. In der laufenden Meisterschaft führt kein Weg an ihnen vorbei; und in der EuroLeague 1 wollen sie versuchen, die Vorrundenspiele zu überstehen. Diese finden am 13. und 14. März in der Sporthalle Hopsagasse in der Brigittenau statt. Der Basketballer würde sich «über reges Publikumsinteresse sehr freuen».
Mehr Informationen unter: sitting-bulls.at