Seine Schuldigkeit getantun & lassen

Das F23 in Liesing muss der Verwertungslogik weichen

Es war eines der größten Zwischennutzungsprojekte in Wien – das F23 in der ehemaligen Sargfabrik entlang der Breitenfurter Straße in Liesing. Große Veranstaltungen fanden hier statt, Konzerte, Workshops mit Aslysuchenden und

Urban Gardening. Jetzt scheinen die Tage der Einrichtung gezählt, berichtet

Christian Bunke.

Illu: Much

Denn nach einem Ausschreibungsverfahren hat eine sogenannte «Expertenjury» eine zukünftige Eigentümerin für das Gelände ausgewählt: die Soravia Investment Holding GmbH. Das ist eine Weichenstellung, die in der Wiener Kulturszene für Unmut sorgte. «Es ist inakzeptabel, dass gegebene Versprechen zur Weiternutzung des Areals an die Betreiber des F23 gebrochen wurden», schreibt die IG Kultur Wien, das Sprachrohr der freien und autonomen Kulturszene in einer Stellungnahme. «Man bekommt den Eindruck, kulturelle Bespielungen für Zwischennutzung sind von Seiten der Politik immer gern willkommen. Wenn es aber darum geht, ein dezentrales Kulturzentrum langfristig zu installieren, dann bekommen Bauträger den Zuschlag.» Tatsächlich ist Liesing für Bauträger schon seit einigen Jahren ein profitables Pflaster. Bis in die frühen 2020er-Jahre sollen hier diverse Großbauprojekte vollendet werden. Dazu zählt das «Wildgarten»-Projekt entlang des Emil-Behring-Weges am Südwestfriedhof oder auch das «Carrée Atzgersdorf». Es entstehen tausende Wohnungen, viele von ihnen frei finanziert. Die Soravia möchte sich in dieses Bild einfügen und der Stadt Wien bei der «Attraktivierung» des Umfeldes helfen.

Wiener Baufilz.

Dafür soll laut Firmenangaben Chris Müller ins Boot geholt werden. Der habe die Linzer Tabakfabrik «zu einem Hotspot für kreative Branchen, zu einem Inkubator innovativer Start-ups und zu einer international gefragten Location für Großausstellungen, Kongresse, Festivals oder Firmenevents» gemacht.

Bei der Soravia macht man es nicht klein. Der Konzern ist fixer Bestandteil des Wiener Baufilzes. 2001 beteiligte er sich gemeinsam mit Krone-Herausgeber Christoph Dichant an der Privatisierung des Dorotheums. In den kommenden Jahren möchte sie Immobiliengroßprojekte im Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden Euro realisieren. Der inzwischen verstorbene Firmengründer Erwin Soravia hat unter anderem den Strabag-Konzern zu einem der größten Baukonzerne Europas gemacht. Dessen Sohn, Erwin Soravia Junior, ist eng mit dem bald ehemaligen Bürgermeister Michael Häupl befreundet. Der überreichte ihm auch 2013 das goldene Verdienstkreuz der Stadt Wien.

Im Jahr 2010 erhielt die Soravia den Zuschlag zur Sanierung der 2001 abgebrannten Sofiensäle. Dafür gab es 2,7 Millionen Euro vom Wohnbaustadtrat und 2 Millionen vom Kulturstadtrat. Dafür versprach die Soravia: «Kunstateliers (…), die von Künstlern zu günstigen Konditionen genutzt werden sollen. Der ehemalige Ballsaal soll öffentlich zugänglich werden, Ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen bieten.» Als zusätzliches Schmankerl sollte die Universität Klagenfurt Teile der Räumlichkeiten nutzen.

Roter Faden.

Es kam aber alles ganz anders. Heute befindet sich dort ein Luxus-Boutique-Hotel, ein Restaurant und ein Nobel-Fitnessclub. Der Ballsaal dient hauptsächlich für Firmenfeiern oder andere derartige Veranstaltungen. Man könnte das für einen Ausrutscher halten, würde sich nicht gerade der Luxus-Aspekt wie ein roter Faden durch das Soravia-Portfolio ziehen. Ein Beispiel ist die ehemalige Post und Telekomzentrale in der Inneren Stadt. Diese wird von der Soravia zum «Palais Post» umgebaut. Das Unternehmen verspricht «luxuriöse Apartments, Penthouses und ein exklusives Hotel».

Die Soravia ist auch bei den «Danube Flats» in Kaisermühlen beteiligt. Ein leerstehendes Gebäude an der Reichsbrücke soll abgerissen und durch ein Hochhaus ersetzt werden. Geplant sind 550 frei finanzierte Wohnungen, 70 Luxusapartments und 40 Sozialwohnungen. Befürworter dieses Projekts ist auch der grüne Stadtplanungssprecher Christoph Chorherr. Er saß 2012 in der Jury, die der Soravia den Zuschlag gab. Seither steht Chorherr auch deshalb in der Kritik, weil sein in Südafrika tätiger Charity-Verein Spenden in Höhe von 14.700 Euro aus dem Umfeld der Familie Soravia empfangen hat.

Unsichere Basis.

Eine Mitschuld an der Vergabe des F23 an die Soravia weisen die Grünen aber von sich. Man sei von dem Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen und auch die Stadtplanung sei nicht beteiligt gewesen, so der grüne Kultursprecher Martin Margulies. Gemeinsam mit der Liesinger SPÖ sei man für eine Fortsetzung des F23 gewesen. Die Entscheidung sei «ein Schlag ins Gesicht» und zeige eine «gewinnorientierte Orientierung». Eine gemeinnützige Nutzung des Geländes habe so «keine Chance».

Der Fall F23 steht symptomatisch für die rot-grüne Zwischennutzungspolitik der vergangenen Jahre. Seit 2016 existiert eine Agentur für «kreative Räume», welche leerstehende Gebäude an Kulturschaffende vermittelt. Das geschieht aber immer nur auf einer befristeten und unsicheren Basis. Oder, in den Worten der Soravia: «Die Zusammenarbeit mit dem ansässigen Verein Verein F23 für die Weiterführung der kulturellen Zwischennutzung soll so lange wie möglich aufrecht bleiben.» Bis er seine Schuldigkeit getan hat und gehen darf.