Augustinverkäufer Martin
Mein erster Augustin-Ausweis hatte die Nummer 19, anders ausgedrückt, ich bin schon mit der zweiten Ausgabe eingestiegen. Das liegt jetzt knapp über zwanzig Jahre zurück. Ich bin damals 21 Jahre alt gewesen und habe öfters in der Gruft übernachtet. Über die Gruft bin ich auch zum Augustin gestoßen, denn zu Beginn wurde der Augustin sogar in der Gruft ausgegeben.
Foto: Mario Lang
Wie man als 21-Jähriger in der Gruft landet? Über die Hintergründe möchte ich nicht sprechen, nur so viel: Ich wollte frei sein. Ich hätte bei meinen Eltern bleiben können, aber das wollte ich nicht länger. Ein paar Jahre lebte ich ohne festen Wohnsitz, bis ich vor 17 Jahren eine kleine Gemeindewohnung in Simmering, draußen beim Zentralfriedhof, erhalten habe.
Spezielle Hobbys habe ich keine mehr. Früher bin ich gerne auf die Donauinsel gefahren, aber seit es keine gute öffentliche Verbindung mehr gibt, gehe ich am Zentralfriedhof spazieren. Mit dem Computerspielen habe ich auch aufgehört, man wird ja älter, außerdem wollte bzw. konnte ich mir nicht immer die neuesten Grafikkarten, die die Spiele brauchen, kaufen.
Lange habe ich das Aufsuchen der Schuldnerberatung zur Seite geschoben – das kennt man ja, aber ich kann jedem, der Probleme mit Verschuldung hat, nur empfehlen, hinzugehen. Ich musste in den Privatkonkurs, ich bin nämlich seit rund 15 Jahren arbeitslos und habe auch keine Berufsausbildung. Jetzt habe ich wenigstens wieder ein Konto, zwar ohne Überziehungsrahmen, aber immerhin mit Bankomatkarte.
Den Augustin verkaufe ich seit ein paar Jahren beim Floridsdorfer Bahnhof. – Im Freien bei einer Bushaltestelle. Dort ist es letzten Sommer unerträglich heiß gewesen. In der Regel bin ich von Montag bis Freitag tagsüber dort, aber vor Weihnachten auch an Samstagen. Genauso wie vor zwanzig Jahren werde ich auch heutzutage als Augustin-Verkäufer an öffentlichen Orten akzeptiert. Geändert haben sich die Verkaufszahlen, sie gingen zurück. Ich bin schon an verschiedenen Plätzen wie Westbahnhof, Jonas-Reindl oder Karlsplatz gestanden. Zum Floridsdorfer Bahnhof bin ich ausgewichen, nachdem am Karlsplatz die Konkurrenz zu groß geworden ist.
Neben dem Zeitungverkaufen kann ich vielleicht schon bald für ein paar Stunden in der Woche in einem sozialökonomischen Betrieb arbeiten. Das würde ich gerne machen!