Selber tuntun & lassen

Wie man Wohnraum der Spekulation entzieht

Das Netzwerk habiTAT unterstützt selbstverwaltete Wohnprojekte. In Wien etwa die Initiative SchloR, welche auf einem stillgelegten, 3000 Quadratmeter großen Gewerbegebiet in Simmering einen Freiraum für Kunst und Kultur etablieren will. Christian Bunke hat sich umgehört.

Illu: Much

Willy Fred war der Name einer antifaschistischen Widerstandsgruppe aus dem Salzkammergut. Seit einiger Zeit trägt ein Linzer Hausprojekt diesen Namen. In deren Selbstdarstellung heißt es dazu: «Durch diese Namensgebung wollen wir uns jedoch nicht mit dieser Gruppe gleichsetzen, sondern lediglich Platz schaffen für das Gedenken eines Netzwerkes, welches einen so starken Zusammenhalt bewiesen hat. Unsere Sympathie für die Widerstandsgruppe baut somit auf den Säulen der Solidarität und Selbstorganisation auf und versucht diese in die Zukunft zu tragen.»

Tatsächlich ist der Hausverein «Willy-Fred» Teil eines Netzwerkes, welches auch in Wien dabei ist, Fuß zu fassen. habiTAT ist der Name eines Dachverbandes, der sich die Unterstützung und Vernetzung selbstverwalteter Wohnprojekte in Österreich auf die Fahnen geschrieben hat. Das Vorbild des 2014 gegründeten Verbandes ist das Miethäuser-Syndikat in Deutschland.

Vetorecht.

«Wir konnten nicht alle Rechtsformen eins zu eins für Österreich übernehmen», sagt habiTAT-Aktivist Raphael. «Doch die Idee ist die gleiche, nämlich Wohnraum aus den Händen der Wohnungsspekulant_innen zu entreißen und für Menschen nutzbar zu machen.» Was das bedeutet, lässt sich anhand des Hausprojekts «Willy-Fred» beschreiben. Dort wurde eine Hausbesitz-GmbH gegründet. Deren Gesellschafter sind zum einen der Willy-Fred-Hausverein und zum anderen der Dachverband habiTAT.

Der Hausverein kümmert sich um die Geschäftsführung, die Hausverwaltung und die Organisation des täglichen Zusammenlebens. habiTAT hat «nur» ein Vetorecht gegen einen Verkauf des Hauses. Dieses Vetorecht ist aber von zentraler Bedeutung. Damit habiTAT dem Verkauf eines Objektes zustimmt, müssten alle an habiTAT beteiligten Hausprojekte zustimmen. Eine Privatisierung, also eine Rückführung des Hauses in den «normalen» Wohnungsmarkt soll so verhindert und den Bewohner_innen sollen sichere und unbefristete Mietverträge garantiert werden. Diese können sich somit auf die Gestaltung ihres Gemeinschaftslebens konzentrieren.

Ist habiTAT also eine Wohnbaugenossenschaft wie die Sozialbau AG oder die Neue Heimat? Nicht ganz, auch wenn Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen sind. «Wir wollen sicherstellen, dass keine neuen Formen von Privateigentum entstehen. Bei vielen Genossenschaften erwerben die Mieter_innen ja Eigentum. Das soll bei uns nicht so sein.»

Freiräume finanzieren.

Für die Finanzierung neuer Hausprojekte möchte habiTAT auf die Methode der Direktkredite zurückgreifen. Dabei handelt es sich um Kredite, die von Privatpersonen ohne den Weg über eine Bank direkt an die jeweilige Hausbesitz GmbH überwiesen werden. Durch Mieteinnahmen sollen die Kredite nach und nach zurückgezahlt und das Haus somit vergemeinschaftet werden. «Klar ist aber auch, dass die Beteiligung an einem Wohnprojekt nicht davon abhängen soll, wie viel Kapital jemand einbringt. Alle sollen die gleichen Mitbestimmungsrechte haben», sagt Raphael.

In Wien möchte die Initiative SchloR diese Ziele umsetzen. Sie hat in Simmering ein stillgelegtes Gewerbegebiet auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern inklusive Turn- und Mehrzweckhalle erworben. «Wir wollen dort einen Freiraum für Kultur- und Kunstprojekte etablieren», so Raphael. Aufmerksame AUGUSTIN-Leser_innen wissen, dass solche Orte dünn gesät sind: In Liesing steht mit dem F23 in der ehemaligen Sargfabrik aktuell ein ähnliches Projekt vor dem Aus, weil die Stadt Wien das Gelände an die Soravia-Gruppe zum Zweck der Luxussanierung verkauft hat.

«Wir haben sehr lange nach einem geeigneten Objekt gesucht», erzählt Raphael. «Das war sehr schwierig und ist ein echtes Problem.» Wien sei in dieser Hinsicht ein hartes Pflaster. Warum die Suche so schwierig ist? «Weil der Wohnungsmarkt von Spekulant_innen beherrscht wird. Ich kenne Häuser, die sind innerhalb eines Jahres drei Mal weiterverkauft worden, und zwar immer zu einem höheren Preis.»

Das wäre doch eine perfekte Chance für die rot-grün regierte Stadt Wien hier eine Vorreiterrolle einzunehmen? «Ein Widerhall von städtischer Seite wäre tatsächlich schön gewesen», sagt Raphael. «Kontaktversuche unsererseits wurden aber weitgehend ignoriert.» Allerdings gebe es von der Wiener Gebietsbetreuung ein Interesse, Projekte wie SchloR zu unterstützen. Interesse an einer Zusammenarbeit gab es auch seitens des Fonds Soziales Wien (FSW). Wobei dieses zumindest teilweise eher eigene Motive gehabt haben dürfte. «Die wollten, dass wir einen Teil unseres Wohnraums für Flüchtlingsbetreuung bereitstellen. Das wäre grundsätzlich auch in Ordnung gewesen. Wir hatten aber das Gefühl, dass hier Aufgaben der Sozialarbeit auf uns abgewälzt werden sollten. Deshalb haben wir uns letztendlich nicht darauf eingelassen.»

Am 21. April steigt ab 15 Uhr eine SchloR-Soliparty am Wagenplatz der Gruppe Treibstoff in der Eichenstraße 2.

www.schlor.org

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