Selbst die «pragamatische Kasse» funktioniertetun & lassen

Zum GEA-Symposium «Geld oder Leben» in Schrems

Der Zeitpunkt war wohlüberlegt: über die Pfingstfeiertage fand im Waldviertel das GEA-Symposium «Geld oder Leben» für eine lebensfreundliche Finanzwirtschaft statt. Ist Pfingsten doch, wie Theologin Barbara Rauchwarter anmerkte, das einzige nicht-kommerzialisierte Fest der Christen. Vermutlich können Marktschreier den Begriff «Be-geisterung» nicht in Konsumartikel umformen. Umso mehr Begeisterung gab es in Schrems für einen lebensfreundlichen Umgang mit Geld.Eines vorweg: Noch nie habe ich eine derart gut organisierte und trotzdem entspannte Veranstaltung erlebt. Hochmotivierte Mitarbeiter_innen der GEA-Akademie einerseits und auf der anderen Seite der Open Space (siehe Kasten) als neue Möglichkeit der Strukturierung haben wenige konkrete Ergebnisse gebracht, aber zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen, an denen in kleinen und größeren Gruppen weitergearbeitet werden wird. Über 200 Teilnehmer_innen sind nach Schrems gepilgert, trotzdem haben sie den kleinen Ort (durch Heini Staudingers Schuhfabrik GEA mittlereilen vielen bekannt) weder überfüllt noch gestört.

Neben einer gelungenen Kinderbetreuung, schmackhafter Verpflegung und einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm gab es weitere interessante Experimente. Zum Beispiel die pragmatische Kasse: Wer es sich leisten kann und will, zahlt etwas ein. Wer das Gefühl hat, Geld zu brauchen, nimmt sich etwas heraus. Detail am Rande: Am zweiten Tag waren rund 200 Euro in der Kasse – aber niemand hatte etwas herausgenommen. Nehmen erfordert oft mehr Mut als geben.

Die Themen der Workshops (insgesamt fast 50!) waren sowohl theoretisch als auch praktisch-konkret orientiert und reichten von einer Einführung in die Soziokratie, der Vorstellung des Projekts Demokratische Bank oder des Vermögenspools über philosophisch-kulturelle Gesprächskreise bis zum Aufruf zur Mitarbeit bei der Gründung einer NGO (Global Fair Trade) und der Unterstützung einer Waldviertler Erlebnisschule.

Impulsgeber_innen waren unter anderem die Philosophin Ursula Baatz, die Theologin Barbara Rauchwarter, die Autorinnen Vicky Robin und Veronika Bennholdt-Thomsen, der ehemalige Bankdirektor Josef Stampfer, der griechische Ökonom Spiros Papakonstantinou und neben verschiedenen Wissenschaftern auch die Kabarettisten Bernhard Ludwig und Roland Düringer. Die einzelnen Beiträge wurden nicht simultan, sondern konsekutiv übersetzt, was zwar die Redezeit beschränkte, aber allen mehr Zeit zum Reflektieren ließ.

Obwohl das Seminar ausdrücklich nicht gedacht war, um eine Lösung für Heini Staudingers Problem mit der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) zu finden, brachte der Mitveranstalter einprägsame Argumente vor. Ausgehend von einem Einwurf Markus Distelbergers, dass es ein Grundrecht des Menschen sei, sich selbst zu organisieren, meinte Staudinger: «Wir brauchen nicht darauf zu hoffen, dass Merkel oder Faymann es für uns richten werden! … Wir sind die Menschen, die über unser Geld verfügen können, und es ist unsere Entscheidung, ob wir es der Bank überlassen oder schauen, ob in unserem Lebensraum jemand Geld braucht.»

Es gibt, so Staudingers Erfahrung, durchaus Menschen, die bereit seien, ihr Geld auf privater Basis Menschen zur Verfügung zu stellen, die Unterstützung benötigen. Vielleicht kann der Vermögenspool (siehe Kasten) ein wirksames Instrument sein.

Was bei der Tagung auch gesagt wurde: Im Nationalrat gibt es derzeit vermutlich sogar eine Mehrheit, die eine Änderung des Bankengesetzes befürworten würde. Bremser sind interessanterweise die Sozialdemokraten. Es ist zu hoffen, dass entweder die SPÖ hier zur Vernunft kommt oder zumindest nach den Wahlen eine neue Ausgangssituation geschaffen werden kann. Wichtig ist, dass möglichst viele Menschen die Bürgerinitiative betreffend allgemeine Freiheit der direkten Kreditgewährung unterzeichnen – am besten online und bis 5. Juni 2013, denn für diesen Tag ist eine Behandlung des Themas durch den Nationalrat geplant.

www.7generationen.at

www.wirsindviele.at

Open Space

Wurde von Harrison Owen begründet, der auf Tagungen die Erfahrung machte, dass die wichtigsten Gespräche in den Pausen stattfanden. Deshalb legte er den Schwerpunkt auf Freizeit und Pausen. Die Teilnehmer_innen sind entspannter, weniger zielorientiert, aufmerksamer auf den Körper und insgesamt weit offener und aufnahmefähiger. Markus Distelberger adaptierte die Methode anhand eigener Moderationserfahrungen.

Das Forum mit allen Teilnehmer_innen und Open-Space-Arbeitskreise wechseln sich ab. Die Angebote werden im Forum vorgestellt und auf einem Planer vermerkt. Zur angegebenen Zeit finden sich Menschen zusammen, die aber nur so lange bleiben, wie ihr Gefühl dies zulässt, und die ausdrücklich eingeladen sind, auf ihren Körper zu hören und bei Bedarf Pausen zu machen oder mehrere parallele Workshops zu besuchen. Protokolle der einzelnen Diskussionen werden im Forum allen zur Verfügung gestellt.

Lernen wird als vielschichtiger Prozess verstanden, der individuell sehr unterschiedlich ist. Auf die Autonomie der Teilnehmer_innen einerseits und die Verantwortung jeder Workshop-Gruppe für das Ganze und die Gemeinschaft wird mit dem Open Space Rücksicht genommen.

Vermögenspool

Um dem Zugriff der FMA zu entgehen, können Rechtspersonen (z. B. Vereine) oder Einzelunternehmer einen Vermögenspool zur Geldbeschaffung betreiben. Wenn beispielsweise für ein Wohnprojekt ein Grundstück gekauft werden soll, können beliebig viele Personen Geld in einen Pool legen (der idealerweise von eine_r Treuhänder_in verwaltet wird). Es gibt ständigen Zu- und Abfluss von Geld, daher ist es günstig, etwa 10 Prozent des Kapitals liquide (täglich behebbar) zu halten. Sollten zu viele Menschen auf einmal ihr Geld wieder entnehmen wollen, kann es zu Wartezeiten kommen. Für das geliehene Kapital werden keine Zinsen bezahlt, aber es wird wertgesichert ausbezahlt. (Sparer_innen rechnen sich aus, dass eine solche Wertsicherung bei einer Inflation von 2,5 % gegenüber 0,5 % Sparzinsen eine Mezzie ist.)

Alle Teilnehmer_innen sind im Grundbuch abgesichert. Damit liegt das Risiko nur darin, dass der Wert des Grundstücks sinkt (was derzeit in Österreich unwahrscheinlich ist). Im Gegensatz zu einem Pyramidenspiel gibt der Vermögenspool keine ungedeckten Versprechen. Außerdem ist er ein transparentes System und wirkt für die Teilnehmer_innen gemeinschaftsbildend.

Die Einwände der Finanzmarktaufsicht konnten argumentiert werden. Die FMA erlaubt Darlehen nämlich nur als Nachrangs-Darlehen (wenn die Geber also an letzter Stelle auf der Gläubiger-Liste stehen). Durch eine Grundstücks-Besicherung hat die Sachhaftung über eine Hypothek aber den ersten Rang inne, wodurch sich das Risiko minimiert.

Außerdem sind Nachrangs-Darlehen nicht prospektpflichtig. Und in Wirklichkeit sind solche Geschäfte ohnehin über Zivilrecht und Strafrecht gesichert und liegen somit nicht im Aufgabenbereich der FMA.

Neid und Gier als Systemerhalter

Barbara Rauchwarter sprach in ihrem Workshop unter anderem über die Funktion der heutigen Lohnabstandsregel: Wenn die Niedrigstlöhne zu nah an der Sozialhilfe sind, werden nicht etwa die Niedrigstlöhne angehoben, sondern es wird die Sozialhilfe gesenkt!

Die Schürung und Aufrechterhaltung von Neid in der Gesellschaft führt zur Zerstörung der Solidarität, die notwendig war und ist, um das Leben halbwegs zu erhalten.