Selbstverständlichtun & lassen

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Justus kommt mit einem selbstgebastelten Aktenkoffer aus Karton. Ein gebasteltes Handy hat er auch dabei und einen Laptop ebenfalls. Der Zehnjährige kann vieles ziemlich gut und eines ganz besonders: «Probleme lösen!» Mathe, Biologie, Geschichte mag er auch gern.
Manches kann Justus nicht so gut, zum Beispiel in der Pause spontan neue Freundschaften knüpfen. Justus ist Asperger-Autist. «Justus sind andere Menschen sehr wichtig, aber es ist schwierig für ihn, es zu zeigen», sagt seine Mutter. Als Justus an seine neue Schule gekommen ist, hat er sich anfangs «ein bisschen Sorgen gemacht», erzählt er. «Aber ich habe eine Zeitung gebastelt, und die habe ich an meine Mitschüler verteilt. In der ganzen Schule! So haben mich alle kennengelernt.» Justus kommuniziert anders. «Im Pausenraum ein Gespräch eröffnen, das kann Justus nicht so gut. Dafür kann er eine Zeitung schreiben und verteilen und so in Kontakt kommen», sagt seine Mama. Wenn es ihm zu laut wird, weiß er: Es gibt Schallschluck-Kopfhörer, die er aufsetzen kann. Hier ist es in Ordnung, wenn er manches anders macht. Hier erlebt er Lernen zielorientiert, aber auch mit eigenem Tempo. Hier hat er seine beiden besten Freunde gefunden. Und wenn er mit einem selbstgebastelten Aktenkoffer aus Karton in die Klasse kommt, ist das auch in Ordnung. Hier ist seine neue Schule in Donaustadt. «Justus bekommt hier, was er braucht, um er sein zu können», sagt seine Mama. Wir brauchen mehr solcher Schulen wie in Donaustadt.
Österreichs Schulsystem hat sich in Sachen Inklusion zwar auf den Weg gemacht, aber weit gekommen ist es noch nicht. Es fehlen an allen Ecken und Enden Schulassistent_innen, Stützlehrer_innen oder eigens gut ausgebildete Pädagog_innen, die mit autistischen Kindern selbstverständlich arbeiten können. Die Rahmenbedingungen sind das Entscheidende. Wer Inklusion ruft und dann keine flexiblen Schulräume, keine Unterstützung für Lehrende, keinen bedarfsgerechten Unterricht möglich macht, der ruiniert alle Bemühungen. Weil dann alle voll frustriert sind. Was auch fehlt, sind ausreichende Angebote der Frühförderung für Kinder und therapeutische Hilfen. Das sollte selbstverständlich sein, weil es Kind und Eltern von Beginn an unterstützt. In Tirol werden gerade Therapieangebote für Kinder wegen
mangelnder Finanzierung geschlossen. Die Gesundheitskassen und die Bundesländer sind aufgerufen, diese Therapiezentren für Kinder zu retten und zusätzliche Angebote auszubauen.
«Wenn eine Schülerin im Autismus-Spektrum eine Schularbeit schreibt und dafür mehr Zeit bekommt, weil sie die auch braucht, oder die Arbeit in einem eigenen Raum schreiben darf, um störende Nebengeräusche ausblenden zu können, heißt es auch heute noch oft: Das ist ungerecht», erzählt Pädagoge Dominik Alturban aus Donaustadt. «Dabei ist es genau anders herum: Es geht darum, Nachteile auszugleichen und Gerechtigkeit herzustellen. Bei einem Schüler mit einer Sehschwäche ist es ja auch nicht ungerecht, dass er eine Brille tragen darf – sondern selbstverständlich.»