Sich «österreichisch» fühlentun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Speakers' Corner (21. Juni 2023)

Immer wenn ich in den österreichischen Alpen unterwegs bin, fühle ich mich furchtbar asiatisch, weil ich sofort «The hills are aliiive with the sound of music …» im Ohr habe. Die chinesisch-synchronisierte Version der amerikanisch-imaginierten Geschichte der österreichischen Familie Trapp war eine der ersten Video­kassetten, die wir zu Hause hatten. ­Weiße Österreicher:innen hingegen werden fast nur im Ausland oder von englischsprachigen und asiatischen Tourist:innen mit The Sound of Music konfrontiert und reagieren entweder mit Verwirrung oder Unmut. Vielleicht aufgrund der stereotypen Darstellung der lokalen Einwohner:innen als singendes, tanzendes, fröhliches Volk, das den Nazis die Stirn geboten hat? Oder wegen der Erfindung des Lieds «Edelweiß», das von Ronald Reagan und allen Sound-of-Music-Fans als österreichische Hymne zelebriert wird? Oder vielleicht mögen es weiße Österreicher:innen genauso wenig, auf fehlerhafte Klischees reduziert zu werden, egal wie positiv sie sind.
Während mich früher meine Liebe für diesen Film als Nicht-Autochthone entlarvt hat und ich mich zeitweise ein bisschen dafür geschämt habe, stehe ich mittlerweile voll dazu und fühle mich dadurch ironischerweise meiner «Asian-ness» näher. Neulich war ich allerdings in Berchtesgaden, und obwohl ich voll im Julie-Andrews-Modus war, habe ich mich wahrscheinlich noch nie so öster­reichisch gefühlt. Umgeben von norddeutschen Tourist:innen, die noch nie auf einer Alm ­waren und Probleme mit dem Bayerischen hatten, war ich plötzlich nicht mehr der Fremdkörper in dieser sowohl von Nazis als auch Hollywood idealisierten Postkartenlandschaft. So long, farewell, auf Wiedersehen, goodbye!

Hier schreiben abwechselnd Nadine Kegele, Grace Marta Latigo und Weina Zhao nichts als die Wahrheit.

 

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