Sicher geht sich das noch aus!Artistin

«Standen, wo man so steht»: 2 x Intimspray, 1 x M.a (Foto: © Mario Lang)

Musikarbeiter unterwegs … mit der Zeitmaschine Musik

Die Butter heißt das neue Album der Band Intimspray. 1979 gegründet, spielt das Quartett seit 2018 wieder zusammen – und überzeugt zwischen Ska, Punk-Wave und Neue-Welle-Färbungen.

In klassisch eigenmächtiger Redaktionsschluss-Erstreckung geht der Musikarbeiter Samstagabend aus, um sich Intimspray live anzusehen und so noch zusätzliche Eindrücke für diesen Artikel zu sammeln. Beim rhiz ist einiges los. Die Band Laut ­Fragen sind schon am – immer überzeugenden – Live-Werk, neben­an im Kramladen spielen Pretty ­Pleas, den Gürtel weiter stadtauswärts darf das Venster99 gerade wegen Magistrats- und Gewerbe-Querelen nicht veranstalten (die hoffentlich bald und nachhaltig aus der Welt geräumt werden). Kurzum, grundsätzlich gebricht es Wien nicht an Live-Musik und entsprechenden Lokalen mit breit gefächerten stilistischen und programmatischen Ansätzen. Der Musikarbeiter bemerkt allerdings, dass der Klang-Appetit abnimmt, dass die prallvollen Terminkalender und damit verbundenen Entscheidungsnotstände – na, was denn jetzt anschauen? – die Argumentationshilfe liefern, lieber zu Hause zu bleiben oder ganz was anderes zu machen. In ein volles rhiz, das ich andererseits den Veranstalter:innen und Musiker:innen von Herzen gönne, zieht es mich an diesem Abend einfach nicht. Drei Bands sind mir von jeher zu viel, außer ich bin besoffen oder die Umstände sind ideal. Angemerkt werden darf, dass zunehmend viele Bands/Acts, die mich interessieren, nicht mehr nach Wien kommen. Der natürlich zu begrüßenden Fülle der hiesigen Musik, sorry, haftet zusehends etwas unfreiwillig Provinzielles an.

«Was Was»

Heinz D. Heisl, Sänger/Texter und Gitarrist von Intimspray, stammt, mittlerweile in Wien ansässig, ursprünglich aus Innsbruck und blickt mit seiner Band – Bill Plugh, Bass/Stimme, Heribert «Corny» Kornfeil, Lead-Gitarre/Stimme und Neuzugang Daniel Homolka, Schlagzeug/Stimme – auf eine mit der Basis München und Veröffentlichungen auf dem Industrie-Sublabel Autobahn (das Album Intimspray erschien 1982 und erfährt demnächst eine Neuauflage) erfahrungsreiche Musiker-Vergangenheit, samt vielen prominenten Begegnungen in der so lebendigen und prägenden Punk/Post-Punk/New Wave/NDW-Szene der späten 70er und frühen 80er zurück. Wenn damals Ideen und Energie die Währung dafür waren, (geistige und geographische) Provinzen zu überwinden und sich in einer größeren Welt von Musik und Kultur zu bewegen, dann haben Heisl und Intimspray sich diesen künstlerischen Selbstwert und Anspruch bewahrt. Seit einem privaten Fest 2018, wo alle ehemaligen Intimsprays anwesend waren und es zu einer unerwarteten Reunion kam, hat die Band die 12“-EP Religion und das Album The Café Carina Sound – Live veröffentlicht, dazu einiges an Konzerten gespielt.

Eben nicht egal

Das neue Werk Die Butter besticht auf den Platten-Seiten «Ich/Du» und «Wir/Ihr» mit dem Titelsong und Liedern wie «Geht sich das noch aus», «Was Was», «Egal» oder «Fish Bird & Wir» auf vielen Ebenen. Die immer wieder einfließenden souveränen Ska- und Reggae-Flavours geben der Musik Tiefe und Dimension. Dass Heisl nach dem Auslaufen der ersten Intimspray-Phase literarisch arbeitete, gibt den Lyrics Klasse und Durchschlagskraft, nicht zu vergessen Witz und Geist. Der wunderbare, volle und zugleich transparente Sound, für den sich Intimspray bei Schlagzeuger Daniel (Original-Schlagzeuger Hubert Nedwed und Keyboarder Mike Moll sind der Band weiterhin freundschaftlich verbunden) im «In House Studio» von März bis Oktober 2023 Zeit gegeben haben, tut ein Übriges. Was im angloamerikanischen Musikjournalismus gerne als «quirky New Wave rhythms» verhandelt wird, steht Intimspray nachhaltig gut und klingt in den fortschreitenden 2020ern verblüffend erfrischend und eben – so wie der Bandname – nicht wirklich aus der Zeit gefallen. Heinz spricht im Gespräch über Band und Album von einer Wut, die er sich erhalten hat und die in den zunehmend dystopischen 20er-Jahren reiche Angriffspunkte findet: «lasst die butter auf dem brot / lasst die butter auf dem brot / ihr seid so bescheuert / was zu viel ist / ist zu viel / ihr nehmt euch  / und nehmt euch / und nehmt» («Die Butter»). Oder: «egal ist mir egal / ist mir so was von egal / hab kapiert / wohin das führt / wenn nicht mehr wird / was nicht mehr wird» («Egal»). Intimspray 2024 – dringlich und unterhaltend zugleich.

Intimspray: Die Butter
(Delle Records)
www.intimspray-band.com
Live: 27. April, Café Carina