USA: Mehr junge Schwarze im Gefängnis als im College
In fast allen US-Bundessaaten wird verurteilten Straftätern mehr oder weniger umfassend das Wahlrecht entzogen. In zehn Bundesstaaten werden diese Menschen lebenslang vom Wahlrecht ausgeschlossen, in manchen Staaten sind aus diesem Grund 10 Prozent der schwarzen Bevölkerung von demokratischer Beteiligung ausgeschlossen. Wenn Obama die kommenden Wahlen doch noch verliert, kennt er den Grund …
7,2 Millionen Menschen waren im Jahre 2006 in den USA unter Kontrolle des Justizsystems. 2,258 Millionen saßen hinter Gittern, 4,2 Millionen hatten Bewährungshilfe (probation) und 800.000 standen nach einer Haft unter Bewährungsaufsicht (U. S. Department of Justice, Bureau of Justice Statistics). Seit 1995 steigen diese Zahlen jährlich um 2,5 Prozent. Heute sind schon 7,5 Millionen Menschen dem gefängnis-industriellen Komplex unterworfen. Es gibt kein Land dieser Erde mit höheren Inhaftierungszahlen und einem strikteren strafrechtlichen Repressionsapparat. Die Inhaftierungsrate liegt bei 750 Personen auf 100.000 Einwohner. Zum Vergleich liegt die aktuelle Rate in Österreich bei 108 zu 100.000.
Jeder hundertste erwachsene Amerikaner ist weggesperrt. Die strafrechtliche Praxis ist selektiv und rassistisch. 40 Prozent aller Gefangenen sind Afro-Amerikaner bei einem Bevölkerungsanteil von 12,1 Prozent, dazu kommen noch 20 Prozent Hispanics. Mehr junge schwarze Männer befinden sich im Gefängnis als im College. Jeder dritte schwarze Mann zwischen 20 und 29 Jahren steht unter Aufsicht des Justizsystems, die Chance für einen Afro-Amerikaner im Gefängnis zu landen ist 6-mal höher als für einen Weißen.
Zwischen 60 und 70 Prozent der Insassen des gefängnis-industriellen Komplexes sind auf Grund der repressiven Drogengesetzgebung inhaftiert. Ersttäter machen die Hälfte der Gefangenen aus, die überwiegende Mehrzahl ist nicht auf Grund von Gewaltdelikten verurteilt. Es sind also nicht die Schwerkriminellen, die die Knäste füllen.
Die rigide Gesetzgebung tut ein Übriges, um den Gefangenenzustrom nicht zum Versiegen zu bringen: Three strikes und you are out (Rückfallgesetzgebung) und mandatory sentences (Mindeststrafenrahmen) führen zum Beispiel dazu, dass in Schwarzeneggers Kalifornien 350 Menschen wegen der dritten einschlägigen Wiederverurteilung für Diebstahl unter einem Wert von 400 Dollar lebenslang einsitzen (Families to Amend California`s Three Strikes).
Die Kosten für den gefängnis-idustriellen Komplex belaufen sich jährlich auf 44,06 Milliarden Dollar, die der Steuerzahler aufzubringen hat. Zwischen 1987 und 2007 stiegen die Kosten um 315 Prozent. Budgetsummen, die dem Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem fehlen. Manche Bundesstaaten geben mittlerweile für ihre Gefängnisse genau so viel aus wie für ihre Mittelschulen (the Pew Charitabe Trusts). Von dieser Politik profitieren Sicherheitsindustrie und private Gefängniskonzerne.
Der Entzug der Bürgerrechte und das Wahlrecht
In 48 von 50 Bundessaaten wird verurteilten Straftätern mehr oder weniger umfassend das Wahlrecht entzogen. 5,3 Millionen Amerikaner dürfen sich an Wahlen nicht beteiligen (the sentencing project). Die überwiegende Mehrzahl ist auf freiem Fuß und lebt in den amerikanischen Städten und Gemeinden. In 10 Bundesstaaten werden diese Menschen lebenslang vom Wahlrecht ausgeschlossen, in manchen Staaten sind 10 Prozent der schwarzen Bevölkerung von demokratischer Beteiligung ausgeschlossen.
Insgesamt werden 1,4 Millionen männlichen Afro-Amerikanern grundlegende Bürgerrechte verweigert. Bei einer stimmberechtigten Bevölkerung von 218 Millionen Wählern und Wählerinnen werden 2,42 Prozent nicht zu Wahlen zugelassen. Dies stellt einen in westlichen Demokratien einmaligen Vorgang dar, ist eine Missachtung der Menschenrechte und eine rassistische Diskriminierung sondergleichen.
Gleichzeitig werden die Gefängnisinsassen als Einwohner jenen Gemeinden zugerechnet in denen die Haftanstalten ihren Sitz haben. Durch den explosionsartigen Neubau von Gefängnissen in meist ländlichen, weißen Gemeinden ergeben sich völlige neue Wahlkreise und Neugewichtungen von Mandaten. Sie dürfen zwar nicht wählen und ihre Stimme abgeben, werden aber zur dortigen Wohnbevölkerung gerechnet, die damit mehr Stimmgewichtung bekommt. 43.000 New Yorker, meist schwarze Gefangene, schaffen so die wahlarithmetische Basis für die Wahl von weißen Rechtsaußenpolitikern im Umland der City, ein schöner Nebeneffekt.
Wer Obama nicht wählen darf
In der Wahlfarce des Jahres 2000 verlor Al Gore wegen 537 Stimmen in Florida die Präsidentschaft gegen Bush. Obama elektrisiert die schwarze Bevölkerung Amerikas mit seinem Ruf nach Wandel und Veränderung und der Tatsache, dass er Afro-Amerikaner ist. Die Schwarzen sind seine treuesten Anhänger; Stimmen, auf die er zählen kann nur: 1,4 Millionen davon dürfen gar nicht zur Wahl gehen.
Durch die Besonderheiten des amerikanischen Wahlsystems können kleine Veränderungen bei der Zahl der Wahlberechtigten in einzelnen Bundessaaten den Ausschlag geben.
Wenn wir die zwischen Demokraten und Republikaner besonders umkämpften Swing-Staaten, also jene Bundesstaaten mit knappen Wahlergebnissen, betrachten, fällt auf, dass diese hohe Inhaftierungsraten haben und eine große Zahl von Menschen aufweisen, denen das Wahlrecht entzogen wurde. In Florida, wo der Bruder von Bush die politische Macht hat, sind fast 100.000 Menschen eingesperrt und weitere 200.000 stehen unter staatlicher Kontrolle ohne Wahlrecht. Dasselbe gilt für Pennsylvania, Ohio, und Michigan.
Es muss also nicht immer Wahlbetrug sein, es reicht, Menschen das demokratische Wahlrecht zu verweigern, um Wahlen zu beeinflussen.
Amerika wäre nicht Amerika, wenn es nicht auch eine engagierte Zivilgesellschaft gäbe. Immerhin gelang es Bürgerrechtsgruppen in den letzten Jahren, eine Kampagne für die Gewährung des Wahlrechtes für verurteilte Menschen zu beginnen, die dazu führte, dass in einigen Bundesstaaten 600.000 Menschen das Wahlrecht zugestanden wurde.
Ob dies zur Wahl von Obama zum nächsten amerikanischen Präsidenten reicht, werden wir im November wissen.
Quellen:
U.S. Department of Justice
http://www.ojp.usdoj.gov/bjs/abstract/ppus06.htm
http://www.sentencingproject.org
Manza,J. and Uggen,C., Locked out: Felony Disenfrachisement and American Democracy,2006
The Pew Charitable Trusts
http://www.pewtrusts.org
Families to Amend California’s Threes Strikes (Facts)
http://www.Facts1.com
http://www.drugwarfacts.org/prison.html
http://www.prisonsucks.com
http://www.prisonpolicy.org/reports/cerd.html