Sie lesen, als ob sie betetenArtistin

Nigerianische Dichter in Wien und (unfreiwillig) in den Bergen

Das literarische Klima in Wien und Graz wird im letzten halben Jahr ziemlich aufgeheitert dank nigerianischer Dichter, die hier leben, aber in der eigenen Tradition schreiben. Sie schreiben auf Englisch, Poetry, manchmal auch Kurzgeschichten – und es wäre schade um diese Gedichte, wenn man sie inkompetent ins Deutsche übertrüge.Ihr Rezitieren ist auch ein Erlebnis, man denkt oft eher an Gebete oder elegante „Beschwörungen“. Energie und Religion formen eine frische Einheit. Da muss wohl Eifersucht im Spiel sein, wenn manche Leute im Publikum ihr Äußerstes tun und ihre Brocken in der Kehle nicht wegschlucken – wenn z. B. Chibo Onyeji während der Lesung seiner Gedichte über Gewalt in Afrika seine „Emotionen nicht unter Kontrolle“ hält, wie es so schön heißt. Das könnte auf eine stille Art von Applaus deuten. Und wenn ein befreundeter Dichter mir zuflüstert, dass seiner Meinung nach alles, was Elisus Ogo Cross vorträgt, hervorragend gut klinge, dann hat das wenig mit der dadaistischen Idee zu tun, einen Poesieabend ein bisschen aufzuheitern mit dem Vorlesen aus einem Telefonbuch. Nein, diese Dichter verkörpern ihre Wörter und es ist ein sanftes Spektakel, zu sehen, wie erlebte Gewalt in die Sprache der Gefühle umgesetzt werden kann.

So very eloquent

This blinding silence

And her refusal

To go away

So very eloquent

This deafning silence

And his refusal

To go away

(Chibo Onyeji)

Faith will rise from death,

For hindrances are not burden

But a larger wall to leap…

(Elisus Ogo Cross)

Im vergangenen österreichischen Sommer, der voller Regen war, konnte Elisus Cross dank eines so genannten „Sommertickets“ einige Reisen durch Österreich machen. Vom Lager Traiskirchen aus. Meistens nach Graz oder Wien, wo er zu Lesungen eingeladen war. Aber es war eher eine Geste des schlechten Gewissens für das plötzliche Verfrachten nach Mürzsteg. Unerwartet und ungewollt.

„Ich fand eine Nachricht auf meinem Bett, dass ich noch am selben Tag nach Mürzzuschlag und dann weiter, 25 Minuten Richtung Berge gebracht werde. Ich musste unterzeichnen, und dann gingen wir. Es ist für mich ein großer Verlust. In Traiskirchen habe ich arbeiten können, etwa Klos putzen, damit konnte ich die Fahrt nach Wien bezahlen. In Wien konnte ich wenigstens Straßenzeitungen verkaufen.“

Sein Optimismus scheint dennoch unschlagbar zu sein: „I am fine, thank you“, sagt er auf dem Bahnhof von Mürzzuschlag und lacht. „That`s our attitude in Africa, we always say, it`s allright, even if things go wrong … Ich habe an verschiedene Orten in Nigeria gelebt. Bevor ich nach Europa fuhr, wohnte ich in Plateau State, und zwar in der Hauptstadt Jos. Bestimmte Details möchte ich nicht lüften, aber ich bin mit dem Schiff nach Europa gefahren und in einem Hafen an Land gegangen, wo die Europäer/innen ihre gebrauchten Autos dumpen. Ich habe mit dem Schreiben angefangen, um meine Gefühle auszudrücken. Ich hatte eine muslimische Freundin und ich wollte ihr jede Woche etwas Neues schenken. Ein neues Gedicht.“

Und fand sie die Poesie gut? „Ja.“ Man kann an seinem Gesicht erkennen, dass dieses Bestätigen wenig mit der erwähnten afrikanischen Attitüde des Optimismus zu tun hat. „Es ging nicht gut aus zwischen uns. Dann musste ich mich der Realität stellen. Face reality.“..

Elisus Cross ist in der Stadt geboren (1983), aber sieht sich selbst als „natural poet“. Er möchte eine CD mit dem Titel „“Gold Leaves““ herausbringen. Dafür hat er Kontakt zu einer Band aus Bruck an der Mur aufgenommen, der er seinen Songtext „“Black or White““ gab.

Zwei Heimaten zu haben ist immer von Vorteil

Chibo Onyeji unterrichtet Economic Development an der Universität in Wien. Er glaubt, dass eine zweite Heimat immer von Vorteil ist – für jede Person. „Man kann nicht einmal seine eigene Kultur völlig kennen lernen. Aber es gibt immer etwas Neues von einer anderen Kultur dazuzulernen.“ Er ist in Enugu geboren, der Hauptstadt von Enugu State. Schon seit zwanzig Jahren wohnt Oneyei in Österreich. „Poetry is good stuff. Very healthy matter.“ Dichtung sei eine gute Sache, sie könne heilsam wirken, meint er.

Er ist aufgewachsen in einer Familie von Dichtern. Sein Vater schrieb religiöse Gedichte und Gebete auf Igbo und auf English, sein ältester Bruder schrieb auf Englisch. Welche nigerianischen Schriftsteller sollten wir auf Deutsch lesen? „Chinua Achebe, Wole Soyinka, Amos Tutuola, Cyprain Ekwensi, Buch Emecheta, Flaora Nwapa … unter anderen“, rät Oneyei.

Beide Dichter betonen, dass die orale Igbo-Tradition noch immer sehr stark ist und dass viel davon noch nicht gedruckt ist. Vielleicht verändert sich da bald etwas, da Elisus Cross der Afrikalektor der Literaturzeitschrift TINCTUR (Englisch-Deutsch) wird und Chibo Onyeji plant, eine Igbo-Literatur-online-Zeitschrift herauszugeben.

Beide nigerianische Poeten sind im Foto- und Gedichtband SCHATTEN -SHADOWS vertreten. Die Texte hat Ruud van Weerdenburg gesammelt. Fotos und Konzept stammen von Gerolf Wicher. Infos und Bestellungen: ruudvwe@hotmail.com

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