Sie tun, was kaum wer tut, am wenigsten der, der es tun müsstetun & lassen

Mit ZARA verschwände die Kontrolle von unten

ZARA ist die Abkürzung für „Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit“. Als Beratungsstelle für Einzelpersonen, die ZeugInnen oder Opfer rassistischer Vorfälle wurden, ist ZARA einzigartig in Österreich. Ihr jährlicher Rassismusreport ist für alle, die an einer ungeschminkten Darstellung soziologischer Realitäten interessiert sind, eine Pflichtlektüre. Verena Krausneker und Dieter Schindlauer vom ZARA-Vorstand berichteten dem Augustin, wie sehr der Staat zivilgesellschaftliche Anstrengungen in diesem Bereich ignoriert. ZARA steht wieder einmal vor dem Aus.Am Abend des 5. April kam es im jüngst eröffneten Novomatic-Casino Admiral im Wiener Prater zu einem eindeutig rassistisch motivierten Polizeieinsatz: Rund 30 AfrikanerInnen wurden von einem überdimensionalem Polizeiaufgebot – darunter der designierte Wiener Landespolizeikommandant Roland Horngacher – kontrolliert und schließlich des Lokales verwiesen. Sechs Fahrzeuge der Alarmabteilung WEGA, vier normale Funkwagen, ein Diensthundefahrzeug mit zwei Hunden sowie der Wagen des künftigen Landespolizeikommandanten bildeten eine Flotte purer Machtdemonstration.

Der diensthabende Geschäftsführer des größten Wettcasinos Europas habe die Polizei gerufen, weil „50 Schwarzafrikaner randaliert“ hätten, verteidigte sich die Exekutive. Die Zahl war übertrieben, jedoch die schlimmere Lüge war die „Randale“: Zeugen im Lokal konnten keinerlei Wirbel wahrnehmen. Was sie stattdessen wahrnahmen: Menschen mit weißer Hautfarbe wurden von dem martialischen Uniformiertenaufgebot nicht einmal ignoriert. Ausschließlich die 30 anwesenden Farbigen wurden perlustriert. Unter dem Vorwand, es sei in der Vergangenheit häufig zu Serieneinbrüchen in Wettlokalen gekommen, wurden alle AfrikanerInnen, kein einziger Weißer, von den Polizisten aufgefordert, das Lokal zu verlassen. Ein Wunder, dass sich diese ruhig verhielten, sagte einer der Zeugen.

Ein Fall für den ZARA-Rassismusreport 2005 – falls es die Nichtregierungsorganisation ZARA im Frühjahr des kommenden Jahres, der üblichen Saison der Reportpräsentation, überhaupt noch gibt. Erraten: Das ZARA-Team schwebt wieder einmal dem großen NO FUTURE zu. ZynikerInnen scheinen recht zu behalten mit ihrem Hinweis, dass ein Staat, der seine Bewaffneten und Gepanzerten bei Laune hält, indem er ihnen regelmäßig Razzien gegen dunkelhäutige Feindbildverkörperungen gönnt, doch nicht eine Stelle finanzieren werde, die die demokratische Öffentlichkeit alarmiert. Die ZARA-Leute freilich wollen die Bundesregierung und die Ministerien nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Und längst wären sie völlig ausgebrannt, wenn sie nicht auch aus dem (zumindest theoretischen) Anspruch des Staates, das Antidiskriminierungsrecht auszubauen, Hoffnung schöpfen könnten.

Die Spitze der Spitze des Eisbergs

Wie sehr Realität und Anspruch auseinander klaffen, ist auch an der Aushungerung der unabhängigen Beratungsstelle für ZeugInnen und Opfer von Rassismus abzulesen. Verena Krausneker im Augustin-Gespräch: „Das ZARA-Team arbeitete im ersten Jahr nach der Gründung vollkommen ehrenamtlich. In den letzten vier Jahren sicherten Subventionen der Gemeinde Wien zumindest eine Jahreshälfte unsere Beratungsarbeit ab. Sechs Monate lang schwamm das Team im Nichts, Jahr für Jahr. Mühsam mussten wir durch Preise, durch Glücksfälle, durch private Spenden oder durch unsere Antidiskriminierungs-Trainings, die selbst erwirtschaftetes Geld brachten, ums Überleben kämpfen. Derzeit ist unser Konto leer, und wir haben nur eine mündliche Zusage der Stadt Wien – erneut geht es bloß um eine Summe, die knapp ein halbes Jahr Beratungsarbeit ermöglicht. Das Benefiz-Clubbing, das wir heuer erstmals organisierten, brachte Einnahmen, das zwei weitere Monate absichert. Dazu kommt, dass das Vorstandsteam privat für einen großen Kredit haftet, den wir aufnehmen mussten. 19 der 24 bei ZARA tätigen Menschen müssen derzeit ihre Anti-Rassismus-Arbeit zwangsläufig unentgeltlich leisten.“

Der Staat Österreich verharre in der Inaktivität: Weder unterstütze der Bund die Beratungsstelle, noch stelle er Einzelpersonen, die mit Rassismus konfrontiert wurden, in irgendeiner Form ein Beratungsangebot zur Verfügung. Krausneker: „Eine bedrückende Situation, die uns viel von der Energie raubt, die wir gern in die inhaltliche Arbeit stecken würden. Das hat Auswirkungen auf unseren Idealismus.“ Obmann Schindlauer ergänzt: „Wir haben das Gefühl, dass der Geldhahn umso mehr zugedreht wird, je lauter wir auftreten.“

ZARA-Mitbegründerin Verena Krausneker ist die Redakteurin des jährlichen Rassismusreports, der dieser Tage zum fünften Mal herausgegeben wurde. Die gesammelten Akten konkreter Diskriminierung machen es SchönfärberInnen sehr schwer, von einem Nichtexistieren des Rassismus in Österreich zu theoretisieren. ZARA mag vorlaut sein, ist aber sehr, sehr klein, betont Krausneker. Deshalb hat ZARA keinen Überblick über die Breite des Rassismus, sondern nur einen kleinen Einblick. ZARA zeigt die Spitze des Eisbergs. In seiner regelmäßigen Augustin-Rubrik zeigt ZARA die Spitze der Spitze.

Über 900 rassistische Vorkommnisse wurden im Jahr 2004 bei der ZARA-Beratungsstelle gemeldet, betreut und dokumentiert. Damit wurde das Serviceangebot der Beratungsstelle im Jahr 2004 etwa ein Drittel öfter in Anspruch genommen als im Jahr zuvor. Aus über 900 Ereignissen wurden für den heurigen Rassismus Report 233 Fälle von Rassismus ausgewählt, die als detailliert dargestellte, anonymisierte Einzelberichte Ausmaß und Strukturen des rassistischen österreichischen Alltags repräsentieren.

Die Report-Redakteurin glaubt eine Tendenz feststellen zu können: „Im öffentlichen Raum nehmen rassistische Übergriffe stetig zu. Vor allem verbale Bedrohungen und rassistische Beschmierungen haben – insbesondere in der Bundeshauptstadt – zugenommen. Im Jahr 2004 haben wir 266 rassistische Beschmierungen dokumentiert und deren Entfernung urgiert.“

Disco-Eintritt verwehrt: Wer bemisst den Schmerz?

Neben der Erstellung des Rassismusreports ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen ein weiteres ZARA-Betätigungsfeld. Dabei geht es um Unterstützung von Unternehmensleitungen, die ehrlich ein möglichst diskriminierungsfreies Klima in ihrem Betrieb anstreben. „Wir würden auch gerne PolitikerInnen beraten“, sagt der Jurist und ZARA-Obmann Dieter Schindlauer. „Was wir tun: Wir geben – teils gefragt, teils ungefragt – Stellungnahmen zu rechtlichen Vorhaben ab, z. B. zu den Antidiskriminierungsgesetzen. Die erste offizielle Einladung an ZARA kam vom Land Niederösterreich: Wir sollten das niederösterreichische Antidiskriminierungsgesetz (ADG) beurteilen.“

ADGs existieren auf Bundes- und auf Landesebene. Ihr gemeinsamer Grundmangel ist, dass die Opfer rassistischer Diskriminierung ziemlich allein gelassen werden in ihrem Kampf, Recht zu bekommen, kritisiert der Zara-Jurist. „Unsere Forderung: ein Verbandsklagerecht für NGOs, wie ZARA, die sich vor die Opfer stellen könnten. Derzeit tun wir uns nämlich schwer, Betroffenen zu raten: Jetzt gibt’s endlich ein neues Gesetz, also klagt! Dazu ist das Prozesskostenrisiko zu hoch. Es gibt keine Erfahrungswerte, was bei solchen Prozessen rausschaut. Das Konzept des ,Ersatzes für immaterielle Schäden‘ ist im österreichischen Recht noch absolut unterentwickelt. Das gibt es bisher nur im Bereich des Schmerzensgeldes. Wie viel Schmerz entspricht das Erlebnis, wegen der Hautfarbe nicht in die Disco zugelassen zu werden? Das wird eine Schlacht der Gutachter werden, die die Verfahrenskosten explodieren lassen. Ein wahnsinnig komplizierter Klagsweg endet dann im besten Fall mit einem Schadenersatz von, sagen wir, 40 Euro. Für 40 Euro den Menschen zu einem zweijährigen Prozessieren zu raten, wäre dumm. In solchen Fällen wäre es klüger, wenn die Mühsal des Einklagens von einer Institution getragen würde“, meint Schindlauer.

Ein Verbandsklagerecht würde verhindern, dass das einzelne Opfer im Zuge des Prozesses, in dem es ja durchaus mit Gegenattacken aus der Angeklagtenseite zu rechnen hat, quasi ein zweites Mal gekränkt wird. Im Konsumentenschutzbereich gibt es ein klares Verbandsklagerecht – warum nicht endlich auch im Antidiskriminierungsbereich?

Eine vom Bund bzw. von den Ländern finanzierte unabhängige Anlaufstelle für ZeugInnen und Opfer rassistischer Vorfälle – diese fehlt in den offiziellen Antidiskriminierungsprogrammen – würde ZARA überflüssig machen. „Und das würde uns nicht traurig machen“, sagt Schindlauer. Krausneker präzisiert: „Es müsste aber schon der Idealtypus einer Anlaufstelle realisiert werden, um ZARA ersetzbar zu machen. ZARA geht behutsam vor, wenn Beschwerden einlangen. Zunächst nicht anklagend und konfrontativ gegenüber den TäterInnen, sondern argumentierend, das Gespräch suchend. Den TäterInnen muss die Chance gegeben werden, dazuzulernen. Aus der Sicht vieler unserer KlientInnen ist das befriedigender als die prompte juridische Konfrontation, die ein Dazulernen erschwert. Wenn Betroffene vom Gegenüber hören: ,Ich kann zugeben, dass dir Unrecht geschehen ist‘, kann das mehr Wert haben als die Verurteilung eines nicht unrechtbewussten, sich deshalb nicht entschuldigenden Täters.“

Manipulierende Berichterstattung über AfrikanerInnen

Die Medien verursachen bei den ZARA-Leuten ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits gibt es Signale der Anerkennung der Antirassismusarbeit, die Ergebnisse der ZARA-Dokumentationen werden von vielen JournalistInnen gern zitiert. Andererseits fördern die Medien (oft dieselben) die Vertiefung rassistischer Ressentiments. Da AfrikanerInnen in den meisten Lebensbereichen nicht repräsentiert seien, treten sie durch die kritisierte Bebilderungspraxis in medialer Öffentlichkeit nur als Kriminelle in Erscheinung. Beim Durchblättern mancher österreichischer Medien müsse man den Eindruck gewinnen, alle Drogendelikte würden von AfrikanerInnen begangen und alle AfrikanerInnen seien in der Drogenszene tätig. Es bestehe aber keine Notwendigkeit, jedes Drogendelikt mit dem Bild eines Afrikaners zu illustrieren, stellte ZARA jüngst in einer Presserklärung fest. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass 74 Prozent der Drogendelikte von InländerInnen begangen werden.

Bestellung des Rassismus Report 2004 (88 Seiten, kostenlos):

ZARA Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus

Tel.: (01) 929 13 99, Fax: (01) 929 13 99-99, E-Mail: office@zara.or.at

Die Rassismus Reports 2000-2004 stehen auf www.zara.or.at kostenlos in Deutsch und Englisch zum Download als PDF bereit.

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