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Musikarbeiter unterwegs mit Marilies Jagsch an die Grenzen des Songwriterei

MuArbMariliesJagsch.jpgNach Clara Luzia und Mika Vember eine dritte bemerkenswerte Musikerin

auf Asinella Records: Marilies Jagsch. Ihr fast kammermusikalischer Entwurf sticht aus dem Singer/Songwriter-Einerlei heraus.

Die Popmusik, einst treibende Kraft der Subversion, ist nur noch eine folgenlose Umarmung des Lebens, die nur noch verspricht, dass eben nichts passiert. Diesen Satz von Diederich Diederichsen habe ich beim Surfen im Internet gefunden. Auf der Seite einer Musikagentur. Jener von Berthold Seliger. Ein jahrzehntelanger deutscher, Verzeihung, Musikarbeiter, der seine Arbeit von jeher und ungebrochen gesellschaftlich und politisch kontextualisiert. Damit hält er mit lesenswerten und streitbaren schriftlichen Äußerungen auf seiner Homepage nicht hinter den Berg. Vergleiche ich damit die vertrottelten Aussendungen der führenden Pop/Rock-Agentur hier in A, möchte ich weinen, wenn ich noch könnte. Die Spatzenpost ist Thomas Bernhard dagegen. Aber mir wurde ja gelehrt, nichts als das Erbärmlichste zu erwarten. Ich weiß, doch ich bin nicht nur in, sondern auch im A.

Musik macht dazu Dienst nach Vorschrift. Jahr für Jahr bestellen selbst mir sympathische und teure KünstlerInnen und Bands das öde Feld: Album machen, Albumveröffentlichungs-Kasperltheater (Promo/Video/die Gigs, die man hier spielen kann), die karge Publikums-, Medien- und materielle Resonanz-Ernte einfahrend und sich mit der Nebenerwerbs/Hobbymusiker-Existenz arrangierend. Eigentlich Utopie pur: Kunst um der Kunst willen. Welt findet nicht statt, Inhalt und Positionen bleiben im besten Fall Behauptungen. Ich möchte weinen, wenn ich noch könnte. Aber meine Tränen habe ich verbraucht. Was ist schon die Vergeblichkeit der Kunst gegen die fortschreitende Entwertung und Beschneidung von Leben? Noch ein Satz gefunden auf der Homepage von Berthold Seliger, von Matthias Beltz: Es gibt ja Leute, die sagen, unsere Politiker, das sind alles Verbrecher. Das ist natürlich Unsinn. Das wirklich organisierte Verbrechen, das arbeitet auf höherem Niveau. Da werden Menschen auch mal zur Verantwortung gezogen. Herr, lass Tränen aus der Hölle umverteilen!

My personal gravedigger / shovels the pit / in which we perfectly fit

I mog den Begriff ned, weil er ist so eindimensional, man ist so abgestempelt, sagt Marilies Jagsch auf die Frage, ob und wie sie sich im Singer/Songwriter-Kontext sieht. Die 23-jährige Studentin der Theaterwissenschaft, in Linz geboren, in Ried im Innkreis aufgewachsen und seit 4 1/2 Jahren in Wien nennt nach einigem Zögern Howe Gelb von Giant Sand als musikalische Referenz. Überraschend, wenn man die 12 Songs ihres Albums Obituary For A Lost Mind hört. Eine sparsame, dem oberflächlichen Hörer reizarme, aber nicht reizlose Musik, mit ebensolchen Lyrics. Oft große und insgesamt wenige Worte. Bedrücktere Befindlichkeiten galore. Funksprüche von innen. Here comes the ernste junge Frau. Die Songs getragen von der Stimme, auf diese Stimme zugespielt. Uneasy Listening, das einen schon auch auf die Nerven gehen kann, wenn man nicht wirklich zuhören will.

Mit dem grau-schwarz-weißen Erscheinungsbild der CD und mit dem Titel Obituary heißt Nachruf liegen einem Begriffe wie Gothic-Folk oder Doom-Songs auf der Fingerspitze.

Aber selbst wenn Marilies optisch solchen Klischees noch in etwa entspricht (und wie viel schwarz hat man selbst im Kleiderschrank?), unser Gespräch macht schnell klar, dass diese Songs nicht das vertonte Tagebuch eines leidenden jungen Menschen und seines Weltschmerzes sind. Wohl sind ihr die Bilder, Befindlichkeiten und Geschichten ihrer Songs nahe, aber das sind nicht meine innersten Gefühle. Der Titel kommt daher, dass ich das Schreiben der Lieder nicht als Verstandsding erfahre. So wie die anfangs konturlosen Stücke beim wiederholten Hören an Charakter gewinnen, immer mehr individuelle Unterschiede aus dem Grundsound hervortreten, macht sich neben der meisterlichen Art, wie mit wenig Elementen Dynamik und Spannung erzeugt wird, manchmal ein subtiler, gerade in diesem Setting sehr wirkungsvoller Humor bemerkbar. Rainworms singing a protest song/about being chopped in two, heißt es in Concrete Garden.

Unser Gespräch findet kurz nach einem Abend mit der Schriftstellerin Julie Zeh statt, das Marilies mit einem Konzert Livesppielen erlebt sie als durchaus anstrengend eröffnete. Als ich die E-Gitarre genommen habe, hat sich eine Frau in der ersten Reihe die Ohre zugehalten. So mussten der Dame natürlich die vielen Feinheiten der Musik von Marilies Jagsch entgehen, die auf CD mit Musikern von A Life A Song A Cigarette und Gästen wie Bernhard Fleischmann oder Ernst Molden mit Produzent Kalle Laar in großer Klarheit umgesetzt wurden. Nach ersten Erfahrungen in einer Grunge-Band hat Marilies Jagsch für das Schreiben ihres ersten eigenen Songs fast ein Jahr gebraucht. Ein Glück, dass das mittlerweile schneller geht.

Info:

Marilies Jagsch: Obituary For A Lost Mind (Asinella/Hoanzl)

www.myspace.com/marilies

Live: 9. 2. Porgy & Bess; 21. 2. Fluc Wanne, CD-Präsentation

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