Musikarbeiter unterwegs … Yppe, Waldviertel, Minga
Die Band Starpilots blickt auf eine lange Geschichte zurück. Ihr jüngstes Album We Are So Busy Doing Things ist ein dicht gewobenes, begeisterndes Stück Musik.
Text: Rainer Krispel
Foto: Mario Lang
Sänger Gernot Grassl, Bassist Thomas Schauppenlehner und Gitarrist Werner Rammer – der mit Thomas den Mix des Albums besorgte und es masterte – treffen sich mit den Musikarbeitern am Yppenplatz. Gitarrist und Background-Stimme Horst Rüger, der mit Gernot und Thomas die Band 1993 noch im Waldviertel als Scapegoat gründete, lebt mittlerweile in Kärnten, Schlagzeuger Ivo Matuś (spielt unter anderem bei Lowbau) verstärkt die Starpilots-Crew anlassbezogen bei Aufnahmen, Proben und Auftritten. Werner, kurz nach dem Album Population (2007) eingestiegen und auf der 2016 erschienenen EP Everything Will Be Good Soon zu hören, muss nach unserem Termin zum Zug nach München in Richtung Arbeitsplatz. Wir haben es hier mit Erwachsenen mit Berufen, Leben und Familien zu tun, denen ihre Musik im Rahmen der Möglichkeiten wesentlicher Bestandteil eben dieser Leben ist. Die dabei Do It Yourself in Reinkultur betreiben, bis hin zum Artwork (Thomas Schaupenlehner) wurde alles aus der Band bestritten, familiär noch dazu, hören wir doch mit Iris und Emily Grassl die Ehefrau und Tochter des Sängers mit diesem singen.
Bubble People.
Die Frage nach den tatsächlichen Arbeitsstunden, die in den 13 Liedern des Albums stecken, bleibt unbeantwortet. «Das will man gar nicht wissen», sagt das Trio lachend. Thomas ergänzt «… wenn man es überhaupt als Arbeit sehen will.» So oder so klingt We Are So Busy Doing Things frisch, inhaltlich wie formell aktuell, jetzt!, hier!, ohne aufgeregt agitiert irgendeinen Zeitgeist beschwören oder einfangen zu müssen. Wenn vermeintlich hippe – sowieso im Jahr 2021 eine noch weit absurdere Zuschreibung als ohnehin schon immer – (nicht nur) britische Bands ihre deutlich hörbaren Wurzeln in den Errungenschaften von Post-Punk/New Wave und einem dieser Ära geschuldeten, später als «Indie» gehandelten Pop-Begriff haben, scheinen Starpilots souverän bei ihrem in den Ansätzen vergleichbaren Sound und Stil durch ihre eigene Kontinuität und Arbeit angekommen. Dabei mit einem ausgeprägten Händchen – oder vielen Händen – für eingängige Songs und Refrains. Bubble People, I’m Not A Salesman oder Saving Myself werden als nominelle Singles diskutiert. Dabei wirken aber alle 13 Songs als sich durch seine einzelnen Lied-Bestandteile ergänzendes und dynamisches Ganzes, von der Band in Eigenregie auf limitiertem Vinyl und CD – mit zusätzlichem Song Fuel – veröffentlicht.
Saving Myself.
War die schon erwähnte, rein digital releaste EP ein Ausgangspunkt, lassen sich beim neuen Album diverse Fortschritte und Entwicklungen festmachen. Wie das erweiterte Sound-Know-how von Thomas und Werner, die beide mit diversen Synths den Songs zusätzliche Akzente setzen und die im Entstehungsprozess ältere Stücke immer wieder «aufmachten», bis diese frisch und stimmig klangen. Gernot Grassl, immer schon ein Vokalist, dem einfach gut zuzuhören ist, zurrte gleichsam die Einheit von Ausdruck und Inhalt noch dichter zusammen. «Warum nur ins Ziel kommen, warum nicht ‹am Besten› runterkommen?», umreißt er, was er mit seinen Vocals zu tun versuchte. Bemerkenswert, dass er bewusst nicht «als Sieger» verwendet, weil darum geht es wiederum gar nicht, die Texte jeweils von der fertigen Musik angestoßen. Mit einem nahezu dystopischen Ende – our city scarred and wounded / the cries have turned silent long ago heißt es im abschließenden Everything Will Be Good Soon – verdichten sich die Lieder zu einer facettenreichen Reflexion und Durchdringung der Corona-Situation. Dabei wurden sie vor deren Entstehen geschrieben. Was die scherzhafte (?) Idee, «ob nicht älter werden ist wie Corona», in den öffentlichen Raum am Yppenplatz stellt. Fragen und Momentaufnahmen des eingesponnenen Lebens in den eigenen Blasen, der Reibungsflächen von privatem Glück und gesellschaftlicher Teilhabe, der Abkehr von derselbigen und einige mehr haben schon lange nicht mehr so gut geklungen. Am Ende gar: it’s not sensational, there’ll never be a bang / we’ll just trickle out, without a flash / we’ll just trickle out, without a sign, we’ll just trickle out? (Trickle Out). Die Starpilots haben mir ein Album dieses seltsamen, bedrohlichen Jahresanfangs 2021 geschenkt. Mit Haltbarkeit und Perspektive.
Starpilots: We Are Busy Doing Things
(Eigenverlag)
starpilots.net