So schaut’s austun & lassen

EingSCHENKt

Was stimmt? Einkommensarme gehen lieber zum Facharzt oder lieber ins Krankenhaus. Sie bekommen mehr oder weniger Medikamente verschrieben. Sie beziehen Mindestsicherung dauerhaft oder eher kurzfristig?Und warum gibt es in Wien 70.000 Bezieher_innen und in Niederösterreich nur 11.000? Weil eine große Zahl Einkommensarmer vom Land in die anonymere Stadt zieht, weil die Inanspruchnahme in Großstädten in ganz Europa um ein vielfaches höher ist, weil es am Land weniger Mietwohnungen für Vermögensseinsatz gibt und weil Niederösterreich einen besonders schikanösen und bürgerunfreundlichen Sozialhilfevollzug aufweist.

Ist die neue Krankenversicherung in der Mindestsicherung nicht eine Hilfe? Auf jeden Fall. Aber: Dafür verlangen jetzt die Gesundheitsinstitutionen Selbstbehalte, was sich jene, die ja kein Geld haben, schon gar nicht leisten können. Dieser Schildbürgerstreich sollte rasch ein Ende haben. Insgesamt wissen wir, dass bei Personen unter der Armutsgrenze gesundheitliche Probleme dreimal so stark auftreten wie beim Rest der Bevölkerung. Deshalb werden die Betroffenen zwei- bis dreimal so häufig medizinisch behandelt werden. Alle Studien zeigen übrigens auch, dass Armutsbetroffene weniger den niedergelassenen Bereich aufsuchen, sie gehen viel öfter in die Ambulanzen. Das bedeutet, die Inanspruchnahme der Ambulanzen ist hoch, die Arztpraxen bleiben eher leer. Was weiter auffällt: Je geringer das Einkommen der Patient_innen, desto mehr Medikamente werden verschrieben. Das betrifft besonders Psychopharmaka.

Und wie schaut die Entwicklung aus? 173.000 Menschen in Privathaushalten leben unter Sozialhilfe-Bedingungen, darunter 30 Prozent Kinder. Frauen sind etwas stärker betroffen. Die Anzahl der Personen in Sozialhilfe ist seit dem Jahr 1999 um über 111.000 Personen angestiegen. Gründe dafür sind prekäre Jobs, nicht existenzsichernde Notstandshilfeleistungen, Arbeitslosigkeit, psychische Erkrankungen und hohe Lebenshaltungskosten beim Wohnen. Prekäre Jobs mit daraus folgendem nicht existenzsichernden Arbeitslosengeld nehmen zu. Die neuen «working poor» erhalten von der Mindestsicherung «Richtsatzergänzungen», um zu überleben. Weiters haben Personen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen auf dem Arbeitsmarkt schlechte Chancen. Besonders nehmen depressive Erschöpfungszustände zu: 4 von 10 Mindestsicherungsbezieher_innen haben gesundheitliche Beeinträchtigungen. Und die steigenden Lebenshaltungskosten beim Wohnen wirken sich bei geringem Einkommen überproportional stark aus.

Wenn wir genau hinschauen, dann schaut vieles anders aus. Es trifft viele, die es sich «nie gedacht hätten». Daten aus Wien zeigen, dass für die große Mehrheit die Sozialhilfe eine kurzfristige Überbrückungshilfe darstellt. Die durchschnittliche Bezugsdauer beträgt rund 7 Monate, bei 25 Prozent bloß 1 bis 3 Monate. Nur rund 10 Prozent der Mindestsicherungs-Haushalte leben zur Gänze und dauerhaft von der Leistung.

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