«So viel wie Hoffnung»vorstadt

Lokalmatadorin

Ümit Mares-Altinok Dolmetscherin zwischen anderen Kulturkreisen und dem hiesigen. Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang

So viel Interesse! Dabei waren die allermeisten der 15 arbeitsuchenden Frauen noch nie zuvor in einem Wiener Museum. Mitten drinnen: Ümit Mares-Altinok, die den heutigen Besuch im Technischen Museum organisiert hat. Sie erzählt zwischendurch von ihrem Mathematik-Professor, dem es gelungen ist, sie «in der siebenten Klasse» aus einem Gymnasium im 15. Bezirk zu vertreiben. «Dunkelhaarige mit exotischem Namen», ließ er seine neue Klasse am Beginn des Schuljahrs wissen, «haben bei mir keine Chance.»
Der von seinem Direktor bestens abgesicherte Pädagoge konnte sie jedoch nicht stoppen. Die brutal Diskriminierte wählte den kostenpflichtigen Umweg über eine Maturaschule und entdeckte sodann als Angestellte einer Fluglinie, «dass meine Muttersprache kein Makel, sondern ein Gewinn sein kann».
Nach vier lehrreichen Jahren auf dem Flughafen nahm Ümit, Tochter eines türkischen «Gastarbeiter»-Ehepaars, zielstrebig Kurs auf ihren heutigen Beruf: An der Universität Salzburg hat sie das Masterstudium Migrationsmanagement erfolgreich abgeschlossen. Seit 2013 arbeitet sie als «Kulturdolmetscherin». Das ist eine selbstständige Tätigkeit, die sie mehr oder weniger für sich selbst kreiert hat.

WonderWoman@Work.

So nennt Mares-Altinok wiederum eines ihrer Projekte in Kooperation mit bekannten Wiener Museen, darunter auch die Albertina, das Volkskundemuseum und das Belvedere. «Ich habe dieses Angebot für Frauen entwickelt, die bei ihrer Jobsuche von einer Beratungseinrichtung im Auftrag des AMS Wien unterstützt werden.»
Im Museum bekommt jede Teilnehmerin die Chance, einmal die Rolle der Kunstvermittlerin einzunehmen, einzelne Werke auszuwählen und diese ihrem Publikum aus ihrer Sicht zu präsentieren. Die Idee dahinter: «Ich will mit einem Dialog auf Augenhöhe die Frauen stärken und fit für den Job machen.»
Die Initiatorin spricht die Sprache ihrer Klientinnen. Sie muss sich dabei nicht verstellen, sie kann sich auf ihre eigenen Erfahrungen berufen: «Mein Vater kam während der ersten Gastarbeiter-Welle aus Zentralanatolien nach Wien. Er war ausgebildeter Schneider und wollte eigentlich nicht ewig in Europa bleiben. Er wollte Geld für ein eigenes Haus daheim verdienen.»

Ümit bedeutet Hoffnung.

Das war 1966. Seine Frau kam vier Jahre später nach Europa – seine Tochter ein weiteres Jahr später zur Welt. Ihr Vorname passt perfekt zu ihrem Naturell: «Ümit ist zwar ein Bubenname, aber das war meinen Eltern egal. Wichtiger war ihnen, dass der Name so viel wie Hoffnung bedeutet.»
Die unverkrampfte Familiengeschichte der Altinoks passt ebenso zu Ümit. Integration ist demnach kein Automatismus, und doch besteht begründet mehr als nur Hoffnung: «Mein Vater hat schnell Deutsch gelernt und bald seine eigene Schneiderei in Hietzing eröffnet. Meine
Mutter musste ihn zwar – nach alter Tradition – schon mit 15 heiraten, doch sie begann ihren Mann nach den ersten Depressionen in der fremden Stadt wirklich zu lieben. Sie hat später sogar seinen Beruf erlernt.»
Ihr Vater hat mit Bleistift seine Erlebnisse auf mehr als 300 Seiten zu Papier gebracht. «In seinen Aufzeichnungen», betont die sprachaffine Migrationsmanagerin, «kommt das Augenzwinkern nicht zu kurz.»
Auch Ümit Mares-Altinok lacht gerne, gerne auch über kulturbedingte Missverständnisse. Im Urlaub wollte sie sich einmal Französischsprachigen mit weltgewandter Leichtigkeit vorstellen, erntete dafür jedoch nur Kopfschütteln, Häme oder Empörung. Erst ein Hotelangestellter hat sie darauf aufmerksam gemacht, dass man ihr «Je suis Ümit» als «Je suis humide» (deutsch: «Ich bin feucht») fehlinterpretiert hat.
Sie mag den Wiener Schmäh, auch das leicht Morbide. Sie lacht aber auch gerne über den Humor der Menschen, die aus Anatolien stammen. Gibt es da Unterschiede? Die Kulturdolmetscherin, die in mehreren Arbeiterbezirken Wiens gewohnt hat und heute im politisch umringten Simmering zu Hause ist, denkt kurz nach, dann erklärt sie: «Mit Sympathiebekundungen tut man sich in Wien ein bisserl schwer.»

Story one.

Vor einem halben Jahr hat Ümit Mares-Altinok begonnen, das Leben ihrer «Familie mit Migrationshintergrund» zu beschreiben und öffentlich zu machen. Mehr als ein Dutzend ihrer Kurzgeschichten sind bis dato auf der Plattform story.one online gegangen. «Ein Best-of soll auch in Buchform erscheinen.»
Ihre Selbstreflexionen machen jedenfalls Lust auf mehr. Nicht nur ihr selbst und ihren Nächsten. Meistens schreibt Ümit Mares-Altinok abends, in ihrem Esszimmer. «Zum Beispiel, wenn meine beiden Buben und mein Mann Fußball im Fernsehen schauen.»
Sie beherrscht aber nicht nur die klassischen Kulturtechniken. Sie hat für Unternehmen ebenso wie für die Stadtverwaltung kreative Tools entwickelt, um damit die Diversität praktisch zu nützen und spürbar zu machen. Mehr über ihre Arbeit als Kulturdolmetscherin: www.kulturundgut.at