Sogenannte Hüter des Gesetzes – mir reicht’s!tun & lassen

Seit Bestehen Eures Blattes bin ich eine treue Leserin. Besonders Eure Berichte über die Übergriffe der Polizei an Afrikanern, die in letzter Zeit immer öfters passieren, haben es mir angetan. Das hat mir Mut gemacht, einen Bericht zu verfassen, Ich habe in sowohl an Euch als auch an andere Medien geschickt. Ich hoffe, Ihr seid nicht das einzige Blatt, das sich traut, diesen Brief von mir zu veröffentlichen. Auch ich habe die Nase voll und ich bereit, mich zur Wehr zu setzen. Ich hoffe, dass auch andere betroffene Eltern Euch ihre „Abenteuer“ mit unserer Polizei berichten werden.Meine beiden Söhne, von denen ich nun berichten werde, stammen aus meiner Ehe mit einem Afrikaner. Ich bin seit 1981 geschieden, er lebt zur Zeit in London, bei ihm lebt seit einigen Jahren mein älterer Sohn.

Mein jünger Sohn Ayo, 21 Jahre alt, lebt in Wien. Ich habe es satt, dass er seit ca. vier Jahren ständig von unseren sogenannten Hütern des Gesetzes kontrolliert und schikaniert wird, nur weil er eine dunkle Hautfarbe hat.

Es vergeht kaum eine Woche, in der er nicht nach seinem Ausweis gefragt wird oder den Inhalt seiner Taschen leeren muss – es wäre ja möglich, dass man einen gefährlichen Drogendealer erwischt hat.

Doch der Gipfel der Demütigung fand am 14. Juli 2000 um 17.30 Uhr am Matzleinsdorfer Platz bei der Haltestelle der Linie 18 statt. Mein Sohn wohnt dort seit ca. vier Monaten. Da ich berufstätig bin und erst gegen halb eins oder ein Uhr nachts nach Hause komme, fährt mein Sohn jeden Tag zu meiner Wohnung im dritten Bezirk, um mit meinen Hunden gassi zu gehen.

Als er an diesem bewussten Tag auf die Linie 18 wartete, kamen zwei Polizeibeamte auf ihn zu und verlangten – wie könnte es anders sein – seinen Ausweis. Wenn einem sowas immer wieder passiert, kann man vielleicht verstehen, dass es irgendwann einmal schwer fällt, gelassen zu bleiben. Auf die Frage „Warum?“, er habe nichts getan, und außerdem gingen ihm diese ständigen Kontrollen schon auf die Nerven, bekam mein Sohn zur Antwort, er solle nicht frech werden, sonst würde er gleich mitgenommen. Na ja, ein Wort gab das andere. Wer den Kürzeren zog, ist wohl klar.

Und auf ging es zur Sicherheitswacheabteilung Favoriten. Für wessen Sicherheit wird da eigentlich gesorgt? Die Dienstnummer 4960 löcherte meinen Sohn mit Fragen und schnauzte ihn an, und weil mein Sohn natürlich auch etwas pampig wurde (wen wundert’s?), ist ihm gleich angedroht worden, dass man Fotos machen und seine Fingerabdrücke nehmen würde.

Ich stelle jetzt eine einfache – oder doch nicht ganz so einfache? – Frage: Wo bitte leben wir? Wer gibt diesen Beamten das Recht, mit Menschen so umzugehen? Mich wundert es nicht, wenn bei solch menschenunwürdigen Behandlungen so manches Opfer – ich verwende bewusst diesen Begriff – irgendwann einmal durchdreht und sich dagegen wehrt; nur ist nicht ganz sicher, ob er das auch überleben wird, wie man inzwischen leider weiß.

Auch mein älterer, in London lebender Sohn, er ist jetzt 23 Jahre, wird bei seinen Wien-Besuchen – das geschieht einmal oder zweimal im Jahr – immer wieder angehalten. Immer fordern ihn die Hüter des Gesetzes auf, Ausweis und Aufenthaltsvisum vorzuweisen, dabei ist er von Geburt an österreichischer Staatsbürger. Wenn er dann in seinem Wiener Dialekt Rede und Antwort steht und immer wieder betont, er sei Österreicher, kontern die Beamten nur: „Das kann jeder behaupten“. Selbst mit Reisepass wurde er schon mit aufs Revier genommen, über Computer wurden damals die Daten überprüft, ob nicht doch etwas zu finden sei, was die sogenannte Routinekontrolle im nachhinein gerechtfertigt hätte. Na ja, gefunden hat man nie etwas, und auf eine Entschuldigung warten wir noch heute. Wenn er nach London zurückfliegt, gibt nach ihm noch am Flughafen Schwechat zu erkennen, dass er ein Mensch zweiter Klasse ist: Immer wird er länger kontrolliert als alle anderen.

Übrigens, er hat die Nase voll von Wien und zieht es vor, in London zu bleiben (dort hat er heuer sein Studium abgeschlossen), wo er sich noch als Mensch behandelt fühlt.

Zum Schluss dieses Berichts möchte ich alle Väter und Mütter, die Ähnliches von ihren Kindern zu berichten wissen, bitten, nicht länger zu schweigen. Gehen wir gemeinsam an die Öffentlichkeit! Ich finde, wir haben lange genug geschwiegen. Vielleicht erreichen wir gemeinsam, dass sich die Justiz endlich am Riemen reißt, sich um die wirklich Schuldigen kümmert und unsere Kinder in Ruhe lässt. Zusammen sind wir stark!


Die Schreiberin dieses Berichts wünscht einen Erfahrungsaustausch mit ähnlich betroffenen Eltern, aus dem sich vielleicht Engagement gegen den Rassismus in Österreich entwickeln kann. Interessierte können sich bei der AUGUSTIN-Redaktion (Tel. 587 87 90) melden oder sich schriftlich an Brigitte Ibrahim, 1030 Wien, Markhofgasse 16/3/6 wenden.

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