«Solange Leute Autos fahren, werden sie auch Radio hören»tun & lassen

20 Jahre Radio Orange

«Wir senden keine Werbung, nur Inhalt» – so wirbt Radio Orange für sein Programm. Und das kann sich hören lassen; rund 150 Redaktionen sind bei dem Gemeinschaftsradio aktiv. Darunter auch die Radio-AUGUSTIN-Redaktion. Ein Bericht anlässlich des 20-Jahre-Jubiläums von Markus Schauta.

Radio Orange ist Teil der freien Radioszene. Doch Freies Radio gibt es in Österreich noch nicht allzu lange. Erst 1998 ist das ORF-Rundfunkmonopol gefallen. Bemühungen um ein Freies Radio gab es bereits seit den 1970ern, als Radiopirat_innen ihre Sendungen on air brachten. Ihre politischen und gesellschaftskritischen Programme sendeten sie aus Autos, von Dächern und aus Wohnungen. Doch die Funkpeilung der Post war wachsam, und so durften die Programme nicht länger als 15 Minuten dauern, um nicht Gefahr zu laufen, von der Peilung entdeckt zu werden. Auf illegales Senden stand die Beschlagnahmung des Senders und eine Geldstrafe. Zu wackeln begann das Rundfunkmonopol 1989. Damals kamen der ORF und der Zeitungsherausgeberverband überein, an die jeweils auflagenstärkste Zeitung jedes Bundeslandes eine Radiofrequenz zu vergeben. Von Freiem Radio konnte aber noch keine Rede sein. Vielmehr erhielten jene Medien mehr Macht, die die österreichische Medienlandschaft ohnehin schon dominierten. Nach einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erklärte dieser 1993 das Rundfunkmonopol für gesetzeswidrig. Endgültig gefallen ist das Monopol im Jahr 1998. Von da an konnten private kommerzielle wie nichtkommerzielle Radios offiziell senden.

Nichtkommerzielles Senden.

Radio Orange war eine der ersten nichtkommerziellen Alternativen zum ORF. «Ein besonderes Merkmal unserer Sendungen ist, dass sie vielsprachig sind und thematisch stark in Wien verhaftet», so Susanne Jäger, Öffentlichkeitsarbeiterin bei dem Wiener Gemeinschaftsradio. «Die meisten senden einmal im Monat, es gibt aber auch Redaktionen wie etwa Radio Afrika, die mehrmals die Woche senden.» Insgesamt gebe es 500 Sendungsmacher_innen, die die Frequenz 94.0 mit Inhalt füllen. Und, ganz wichtig: «Wir schalten keine Werbung, was das Hören sehr angenehm macht.»

Dass Radio Orange nicht von Werbekund_innen abhängig ist, wirkt sich positiv auf die Programmgestaltung aus. Es kommen gesellschaftliche Gruppen zu Wort, die im Mainstream-Radio unterrepräsentiert sind. Ebenso können Nischenthemen behandelt werden, die nicht unbedingt eine große Hörerschaft finden. «Natürlich ist es uns ein Anliegen, von möglichst vielen gehört zu werden», sagt ­Jäger. Aber bei der Auswahl der Themen sei das kein Kriterium. Bei Radio Orange ist genauso wichtig, was hinter den Kulissen passiert. In den Räumen des Senders in der Klosterneuburger Straße 1 vernetzen sich Radiomacher_innen, tauschen sich aus, formulieren ihre Anliegen. «Wir wollen ein Medium der Vielen sein», so Jäger. Gemeinschaftsradio eben.

Keine Dreiminüter.

Auch Radio ­AUGUSTIN ist Teil des Gemeinschaftsradios und seit zwanzig Jahren auf der Frequenz 94.0 zu hören. Gesendet wird zweimal die Woche: Montags die Magazin-Sendung, am Freitag die Live-Sendung. «Im Magazin spielen wir Musik von jungen, unbekannten Künstler_innen und bringen Beiträge zu gesellschaftspolitischen und kulturellen Themen», erklärt Aurelia Wusch, Redakteurin bei Radio AUGUSTIN. Ein wichtiger Programmpunkt der Magazin-Sendung sei die Literatur-Rubrik, in der Verkäuferinnen und Verkäufer des AUGUSTIN ihre selbstgeschriebenen Texte vorlesen.

In der Live-Sendung freitags werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Je nachdem, wer moderiert, gibt es frauenspezifische Themen, werden Gäste eingeladen oder wird Musik gespielt. Alle zwei Monate spricht der Sozialexperte Martin Schenk in der Live-Sendung. Zehn bis zwölf Leute arbeiten regelmäßig bei Radio AUGUSTIN mit. Zum Teil freie Journalist_innen, die auch für die Zeitung schreiben. Anders als etwa bei Ö3 oder FM4 lassen sich die Redakteur_innen von Radio AUGUSTIN für ihre Geschichten Zeit. «Dreiminüter, wo man rasch etwas erzählt, gibt’s bei uns nicht», so Wusch. «Wir greifen Themen auf, die von anderen nicht oder nur am Rande bearbeitet werden, wollen Nischen entdecken und vermitteln.»

Radio hat Zukunft. Radio Orange ist einer von 14 nichtkommerziellen Radiosendern in Österreich. Gemeinsam mit den kommerziellen Sendern gibt es in Österreich über 60 private Radiosender. Nach wie vor dominieren ORF-Radios mit 60 bis 70 Prozent (je nach Zielpublikum) Marktanteil, gefolgt von privaten kommerziellen Sendern. Umso mehr tragen Freie Radios wie ­Radio Orange maßgeblich zur Vielfalt in der österreichischen Medienlandschaft bei.

Dass Radio Zukunft hat, davon ist Susanne Jäger überzeugt: «Solange Leute Autos fahren, werden sie auch Radio hören.» Denn der große Vorteil des Radios gegenüber dem TV sei es, dass es nicht so stark bindet, man nebenbei andere Dinge erledigen kann: Kochen, Hausarbeit, Zugfahrt oder eben Autofahren. Fest steht, dass nichtkommerzielle Sender auch in Zukunft ein wichtiges Gegengewicht zu den kommerziellen darstellen werden. So wie sie es in den vergangenen zwei Jahrzehnten taten.

Radio AUGUSTIN feiert die 20 Jahre auch mit der Jubiläumssendung vom ­16. August auf AUGUSTIN TV. Diese ist im OKTO Archiv auffindbar. Zu sehen und hören sind etwa Ausschnitte einer Radiowerkstatt und Aufnahmen vom Hoffest, das im Zeichen des Jubiläums am 8. Juni stattfand.

Mit dem AUGUSTIN Stimmgewitter!

www.okto.tv

Am 8. September 2018 feiert Radio Orange unter dem Motto Wir feiern Vielfalt sein 20-jähriges Jubiläum im Fluc in Wien.

www.o94.at