Solidarische Mobilitättun & lassen

Illustration: (c) Thomas Kriebaum

Klimazone (September 2023)

Mit Schulbeginn ist wieder Leben eingekehrt in die Stadt. Morgens laufen mit großen Schultaschen bepackte Kinder durch unsere Gasse. Mädchengruppen auf Rollern düsen über die Kreuzung, ohne nach links oder rechts zu blicken. Mir bleibt regelmäßig das Herz stehen. Ich bewundere ihren Mut und die Selbstverständlichkeit, mit der sie Platz für sich einfordern, gleichzeitig mache ich mir Sorgen, dass doch eines Tages ein Auto zu schnell um die Kurve biegt. Eine Sorge, die auch die Stadt teilt.
Bereits vor Jahren wurden Schulwegpläne erstellt, die Volksschülerinnen und Volksschülern die sichersten Schulwege präsentieren. Da wird gewarnt, dass Gehsteige zu schmal sind und Kinder daher keinesfalls nebeneinander gehen dürfen, Kreuzungen unübersichtlich sind und daher nur an bestimmten Stellen überquert werden sollen oder es Sichteinschränkungen aufgrund parkender Autos gibt. Die Schulwegpläne sind gut gemeint, haben mich aber wütend gemacht. Wir sollten Kinder nicht «verkehrstauglich» erziehen, sondern unseren Verkehr endlich kindertauglich machen. Mehr aktive Mobilität, geringere Geschwindigkeiten: Ein kindertauglicher Verkehr wäre gleichzeitig auch ein klimafreundlicher Verkehr.
Fast genauso wütend haben mich die letzten Ozon-Warnungen zurückgelassen. Als die Ozonkonzentrationen Ende August, Anfang September so hoch waren, dass die Informationsschwelle überschritten war, wurden Autofahrende höflich ersucht, auf nicht unbedingt notwendige Fahrten zu verzichten. Denn Ozon ist ein Reizgas. An Tagen mit hoher Ozonkonzentration leiden viele Menschen an Tränenreiz, Husten oder Kopfschmerzen. Vor allem für empfindliche Personen oder Asthmatikerinnen und Asthmatiker können solche Tage zur Qual werden. Eine Qual, die sich vermeiden ließe, wenn der Verkehr bei Hitzewellen frühzeitig eingeschränkt wird. Ja, ich spreche von Verboten. Denn ohne diese wird es nicht gehen.
Es gibt kein Recht auf Individualverkehr, genauso wenig wie es ein Recht auf hohe Geschwindigkeiten oder einen SUV gibt. Rund fünf bis sechs Prozent der österreichischen Haushalte sind potenziell von Mobilitätsarmut betroffen. Sie brauchen Unterstützung und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Dass die SUV-Dichte in Wien höher ist als im gebirgigen Tirol, hat aber nichts mit Mobilitätsarmut zu tun, sondern mit unsolidarischem Verhalten.
Klimaverträgliche Mobilität ist eine solidarische Mobilität. Eine Mobilität, die Rücksicht nimmt auf die vulnerablen Gruppen in unserer Gesellschaft. Wie das geht, zeigen andere Städte schon längst vor. In Barcelona wurden Superblocks errichtet. In Oslo hunderte Straßenparkplätze entfernt. Im spanischen Pontevedra wurde der motorisierte Individualverkehr aus dem Stadtzentrum verbannt.
Ich bin am Land aufgewachsen und weiß, wie viel Freiheit mit dem Führerschein einhergeht. Doch wenn diese Freiheit auf die Kosten anderer geht, muss diese Freiheit begrenzt werden, vor allem dort, wo ausreichend solidarische Alternativen vorhanden sind.

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