Solidarity statt Charitytun & lassen

Ihren Grundgedanken, allen Menschen freien Zugang zu Essen zu erleichtern, schreibt sich die Solidarity Kitchen auf ihr Banner (Foto: © Michael Bigus)

Die Solidarity Kitchen ist ein selbstorganisiertes Freiwilligenprojekt. Die Mitglieder kochen gemeinsam; gegessen wird mit allen im Tageszentrum Obdach Josi. Ein Lokalaugenschein von einer Insiderin.

Solidarity – der Begriff meint Soli­darität statt Wohltätigkeit, im Sinne einer nicht hierarchischen Unterstützung. «Free food for all», steht am Banner der ­Solidarity Kitchen. Die befindet sich derzeit im 4lthangrund, einem ­selbstorganisierten Raum in der «alten Mensa» gegenüber vom ehemaligen WU-Hauptgebäude bei der Spittelau im 9. Wiener Bezirk. Die Gruppe existiert seit Jänner 2022 und wurde zuerst in verschiedenen WG-Küchen betrieben, bevor mensch im Spätsommer 22 im 4lthangrund begann, eine Küche aufzubauen. Das nicht hier­archische, autarke Kollektiv finanziert sich durch freiwillige ­Spenden, ­teilweise ÖH-Projektfinanzierung oder Solidaritätsbeiträge bei Veranstaltungen. Alle arbeiten ehrenamtlich.
Der Grundgedanke war, allen Menschen freien Zugang zu Essen zu erleichtern. Es wurden verschiedene Orte aufgesucht, wo Solidarity-Kitchen-Mitglieder zum Essen einluden, und letztendlich wurde festgestellt, dass bei der Josi (U6-Station Josefstädterstraße) der meiste Nutzen/Bedarf und leichteste Zugang für die Menschen besteht.
Grundsätzlich ist die Gruppe offen und jede Person ist willkommen und wird wertschätzend aufgenommen. Auch einfach nur essen zu kommen oder Zeit in Gesellschaft zu verbringen, ist absolut in Ordnung.

Vegan, kalorienreich, sättigend

Gekocht wird jeden Sonntag. Die ­Rezepte werden immer von zwei Personen geplant. Nachdem sie feststehen, wird dementsprechend eingekauft. Bei der Planung wird darauf geachtet, dass die Speisen vegan, kalorienreich und sättigend sind. Auch der praktische Faktor wird bedacht: Nachdem draußen serviert und gegessen wird, wären Gerichte, die sehr schnell auskühlen, im Winter zum Beispiel, eher schwierig. Ebenso wird die aktuelle Verfügbarkeit von Lebensmitteln miteinbezogen.
Sonntags beginnen wir um 14 Uhr. Heute sind schon alle da und das Anfangsplenum beginnt. Jede:r kann, wenn gewollt, die eigene aktuelle ­Gefühlslage kundtun, sich kurz vorstellen und kommunizieren, auf welche Partizipation eins heute Lust ­hätte. Wir schreiben die Aufgaben auf eine Checkliste, ­sodass auch Menschen, die neu sind oder gerade ankommen, ­immer ­sehen können, was noch zu tun ist. Dann beginnt der Part, aus dem ich mich meistens – abseits des Gemüseschneidens – ­raushalte: das Kochen.

Gastrobehälter und Warmhaltebox

Der Kochvorgang neigt sich dem Ende zu. Mittlerweile ist es 17 Uhr, jetzt beginnt ein zweites Plenum, in dem wir eruieren, wer zum Putzen vor Ort bleibt und wer zur Josefstädterstraße fährt. Heute sind es vier Menschen, die zur Josi fahren. Die Buddys werden zugeteilt, damit mensch aufeinander achten kann. Jetzt geht es ans Packen und Teekochen. Das Essen verteilen wir in Gastrobehälter und packen diese in eine Warmhaltebox. Der Tee kommt in einen großen Punschbehälter. Kleiderspenden nehmen wir auch noch mit. Die Lastenradfahrer:innen starten als Erstes. Mein Buddy und ich kommen mit der U-Bahn nach. Am Ziel werden wir schon erwartet und schlagen unser Lager auf einem Schachtisch auf. Es ist 18 Uhr.
Ein paar Leute kenne ich schon vom Sehen. Ich begrüße sie und freue mich, dass sie da sind. Chili ist immer der Renner. Die Leute lieben es. Ich glaube, ich habe noch nirgendwo Menschen getroffen, die so viel Chili essen können, ohne zu weinen. Gebäck ist auch mit – und schnell weg.
Als mir jemand zum ersten Mal dort begegnete und Unmengen an Petersilie aß, ganze Schälchen voll, fragte ich, wieso er so viel Petersilie esse. Er ­erwiderte: «Das macht stark! Dschingis Khan hat auch dauernd Petersilie gegessen.» ­Diese Person ist generell recht fröhlich und scherzt oft mit uns. Ich freue mich, ihn auch heute zu sehen. Ich finde das total schön, dass dort so eine ungezwungene Atmosphäre herrscht und wir einfach nur da sind, miteinander.
Nach etwa einer Stunde, wenn ­Essen und Tee konsumiert sind, gehen wir wieder. Um 20 Uhr sind wir zurück im ­4lthangrund. Jetzt beginnt Plenum Nr. 3 und ein Check-out, bei dem mensch mitteilen kann, wie es einem:r an diesem Tag ging, was einem:r gut gefallen hat oder eben nicht, ob es Besonderheiten gab, ob das Essen gereicht hat oder zu viel war, wie es geschmeckt hat etc. Die ganze ­Aktion dauert heute bis 21 Uhr. Es steht jedoch jedem:r frei, jederzeit zu gehen.

Mitmachen, spenden

Im Rahmen der Klimabiennale Wien im Open Space des Volkskundemuseums ­werden wir dieses Jahr von 17. Mai bis 23. Juni auch Dienstag- und Mittwochabend kochen. Die Solidarity Kitchen unterstützt außerdem Proteste oder Konferenzen wie zum Beispiel das People’s Summit against European Gas ­Conference, Abolish the Police!, Demos gegen ­Gefängnisse, gegen ­Femizide und Ähnliches – mit ihren Kochkünsten.
Spenden kann mensch gerne im 4lthangrund in der Küche oder in einer Soli­darity-Spendenkiste abgeben. Was immer gerne angenommen wird, sind Decken, Schlafsäcke und warme Kleidung in der kalten Jahreszeit, im Sommer natürlich eher leichte Sachen. Ab spätestens 2025 sucht die Küche auch nach einem ­neuen Raum, da der Mietvertrag des 4lthangrund endet.
Seit Kurzem hat sich ein System mit drei Entry Points etabliert, die es leichter machen, in die Solidarity Kitchen einzusteigen. Wer gerne einmal mitkochen, helfen, vorbeischauen ­möchte, kann das gerne tun. Am besten fragt, wer interessiert ist, unter der E-Mail-­Adresse ­solidaritykitchenvienna@­riseup.net oder unter solidaritykitchenvienna auf Instagram nach.

www.4lthangrund.jetzt/solidarity-kitchen-vienna-4lthangrund