Sonntag NachmittagDichter Innenteil

Chilip in Druk Yul (7)

Ich liege im Schatten des Thailand-Bhutan Friendship Park und verliere mich im Leben Hadrians*, als mich das helle Lachen der Mädchen zurück nach Thimphu holt.

Foto: © Namgay Tshering

Neben mir studieren Mädchen in Kira oder Pfadfinderuniform und ihre Partner in lässigen Sportoutfits die ruhigen elegant-betörenden Bewegungen der traditionellen bhutanischen Tänze. Plötzlich wird der Gesang durchbrochen vom poppigen Programm auf der gegenüberliegenden Seite des Parks. Unter dem spitzen Dach des thailändischen Pavillons führt eine Gruppe ihre Choreographien im Street-Dance-Style zu Ed Sheeran und Hindi Pop vor, mit hektischen, teils expliziten Bewegungen. Eine zweite Gruppe versucht sich im Gras daneben an herausfordernden Breakdance-Saltos und Sprüngen. Zwei Mädchen gesellen sich zum choreographierten Tanz. Ein paar Kinder setzen sich in die erste Reihe und schwingen sich zum fordernden Publikum hoch, bald werden Bollywood-Tänze imitiert anstelle von Hip-Hop-Allüren. Ein Bub tanzt mit. Schließlich tönt der Dzongkha-Gesang, zu dem vor kurzem noch meine Nachbar_innen tanzten. Die jungen Frauen brillieren in den anmutigen Bewegungen. Gleichzeitig ändert sich neben mir die Musik, eine moderne Version der traditionellen Gesänge mit elektronischen Einlagen. Der Stil bleibt, die Bewegungen verjüngt – weiterhin elegant, der Schritt flotter, die Gesten eine Spur gewagter.

Ein ganz normaler Sonntag in Thimphu. «Zwischen Tradition und Moderne», schlägt mein Kopf unmittelbar assoziativ vor. Wenn dieses Bild auch wiederholt als zerreißender Limbus in Diskursen des Königs, hoher Politiker und in Zeitungen und Journalen thematisiert wird, erlauben mir meine spärlichen Beobachtungen eine andere Sicht: Kein entwurzeltes und orientierungsloses «Zwischen», eher janus-haft, sich gleichzeitig in beide Richtungen blickend orientierend. Bewahrung und Hochhalten mancher Aspekte bei Offenheit für Trends aus Asien (K-Pop!), «dem Westen» und von überall, wo sich Inspiration findet. Dass Veränderungen in einem derart aufs Bewahren bedachten Land für Aufregung sorgen, verwundert mich kaum. Ob es jedoch nicht vielmehr die älteren Generationen sind, die Verlorenheit erfahren in dieser Konfrontation, als die Jugend, die die neue Offenheit auf vielfache Art zu begrüßen scheint, will ich als offene Frage stehen lassen.

Marisa Kröpfl schreibt aus Druk Yul (Königreich Bhutan) von ihren Eindrücken als Chilip, wie Ausländer_innen im Land des Donnerdrachen genannt werden.

*Marguerite Yourcenar: Mémoires d’Hadrien – schönes Geschenk eines aufmerksamen Freundes.

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