Sonst braucht der Mensch nix!tun & lassen

Warum bei Spitalsaufenthalt die komplette Sozialhilfe gestrichen wird:

Walter K. ist AUGUSTIN-Verkäufer, Sozialhilfeempfänger und krebskrank. Er befindet sich in chemotherapeutischer Behandlung. Das heißt für ihn: Ein Spitalsaufenthalt reiht sich an den nächsten. Nun hat Walter K. seine Wut in Worte gefaßt und ein paar Zeilen für den AUGUSTIN geschrieben. Überschrift: ALS SOZIALHILFEEMPFÄNGER DARFST NICHT KRANK WERDEN!“Als Sozialhilfeempfänger, der von der MA 12 abhängig ist und eine Sozialwohnung hat, zahlst du den Sozialhilfe-Tagessatz, den du von der MA 12 bekommst, komplett an das Spital“, schreibt Walter K. „Das heißt, für die Dauer deines Spitalsaufenthalts bekommst du Null Sozialhilfe. Dabei muß bedacht werden, daß man als Sozialhilfeempfänger den Teilbetrag für Strom und Gas weiterhin komplett bezahlen muß, denn die MA 12 zahlt nur die Miete. Und schließlich braucht man auch ab und zu Schuhe und Gewand – oder soll man im Winter barfuß gehen? Der Gewandzuschuß wird sowieso immer abgelehnt. Es gibt Menschen, die sich im Spital vielleicht ab und zu ein Päckchen Zigaretten oder zusätzlich etwas anderes als Kaffee und Tee kaufen wollen. Ich frage mich: Woher soll ich das Geld dafür nehmen?“

Tatsächlich, Walter K. ist ein lebendes Argument gegen das bestehende Sozialhilfesystem. Der Beamte, der Walter K. „aufklärt“, im Spital werde man ohnehin verpflegt und „sonst braucht der Mensch nix“ und deshalb müsse während des Spitalsaufenthalts die Sozialhilfe gestrichen werden, spricht voll in der Logik dieses Systems.

Walter K. bezieht eine Sozialhilfe von 5019 Schilling im Monat, aufgeteilt in 30 oder 31 Tagesbeträge, die er aber in Summe monatlich ausbezahlt bekommt. Wenn er die Hälfte des Monats im Krankenhaus liegt, wird im demnach ca. 2500 Schilling von der Sozialhilfe abgezogen (dieses Geld transferiert die MA 12 an den Spitalserhalter). Das heißt aber nicht, daß Walter K. die verbleibenden 2500 Schilling ganz für sich zur Verfügung hat. Denn das Sozialamt zahlt zwar die Miete, aber nicht die Aufwendungen für Strom und Gas – diese Kosten seien durch die „Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs“, wie die Sozialhilfe definiert wird, ohnehin gedeckt, meint der Gesetzgeber. Wenn Walter K. also von einem seiner Krankenhausaufenthalte heimkommt, wird ihm im nächsten Monat die Sozialhilfe auf ein Maß gekürzt, von dem nur Zyniker behaupten können, es sei ein Äquivalent des Lebensbedarfs.

Wir lassen Walter K. nun wieder selbst zu Wort kommen: „Ich wollte voriges Monat meine vierte Chemotherapie machen. Leider war das nicht möglich, da ich eine Mittelohrentzündung mit 40 Grad Fieber bekam. Ich habe eine schwere Darmkrebsoperation hinter mir und suchte deshalb um einen Erholungsaufenthalt an. Das Spital gab an, ich sei Alkoholiker. Und das, obwohl ich mir nur ab und zu ein Bier gönne – mehr kann ich mir sowieso nicht leisten (Anm.d.Red.: Auch im Tageszentrum Pazmanitengasse, in dem Walter K. betreut wird, wundert man sich über diese Begründung der Erholungsverweigerung) . Laut Gesundheitsamt muß ich meine zwei noch ausstehenden Chemotherapien durchführen, dann schicke man mich – vielleicht – auf Erholung. Wer weiß, ob ich das noch erlebe!?! Falls ich irgendwann doch auf Erholung komme, muß ich trotzdem meine Teilbeträge für Strom uns Gas bezahlen, obwohl ich für die Zeit des Erholungsaufenthalts wiederum keinen Groschen von der MA 12 bekomme.“

Als Krebspatient ist Sozialhilfeempfänger Walter K. in einer speziell kritischen Lage: Er muß immer wieder ins Spital. Im Sozialhilfebereich sind Ermessensfreiräume vorgesehen. Man könnte also auf die besonderen Umstände des Klienten Walter K. eingehen und ihm den „Lebensbedarf“ ungekürzt zukommen lassen. Doch es hängt von so vielen Faktoren ab, wie diese Ermessungsentscheidungen ausfallen: vom Leiter des betreffenden Sozialamtes, vom konkreten Verhältnis zwischen dem Beamten und dem Klienten etc. Walter K. jedenfalls hatte bisher kein Glück mit dem „Ermessen“.

Und überhaupt, Walter K. hat kein Glück mit dem für ihn zuständigen Sozialamt. Es ist jenes Wiener Sozialamt, das für entwürdigende Behandlungen von „Bittstellern“ bekannt ist. Jenes Amt, auf dem Betroffene manchmal vier bis fünf Stunden warten müssen, wenn sie sich um die Sozialhilfe anstellen. Wo man auf diese Weise den Habenichtsen ihr „Sozialschmarotzertum“ kommuniziert. „Ich muß mich als Schwerkranker stundenlang im Sozialamt anstellen und werde von den sogenannten Beamten als Schmarotzer betrachtet“, schreibt Walter K. Wenn man das System ändern würde, fügt er hinzu, könnte man viele Beamten einsparen – wo doch immer davon gesprochen werde, daß das Magistrat so arm sei!

Überhaupt, der Vorwurf des „Sozialschmarotzens“ bringt Walter K. auf die Palme: „Ich bin arbeitslos geworden, als ich 40 war. Seit dieser Zeit bemühe ich mich um Arbeit. Aber überall hieß es: Mit 40 bist du zu alt. Aber in diesem Alter war von meiner Erkrankung noch keine Rede, ich fühlte mich gesund und kräftig, ich wäre voll arbeitsfähig gewesen. Wenn aber niemand deine Arbeitskraft will, was bleibt dir dann anderes übrig, als ein sogenannter schmarotzender Sozialhilfeempfänger zu werden? Ich wundere mich jedenfalls nicht, daß soviele Betroffene zu saufen beginnen und sich die Frage stellen: Wozu lebe ich eigentlich noch?“

Walter K.’s Schreiben endet pessimistisch: „Ich hoffe, daß dieses beschissene System geändert wird. Aber eigentlich glaube ich nicht daran, daß es geändert wird“.

Für ihn – langzeitarbeitslos, krebskrank, als „Sozialschmarotzer“ stigmatisiert – hat das System ein Niveau der Versorgung parat, das nicht einmal annähernd den wirklichen Lebensbedarf eines Menschen deckt. Freilich, wahrscheinlich hätte er mit einem Antrag auf Invaliditätspension Erfolg. Doch ein solcher Schritt ist wie „endgültiges Aufgeben“ – viele haben Angst davor, weil ihr Selbstwertgefühl diesen Schritt als Fall ins Wertlose interpretiert.

Für einen wie mich, hat Waklte K. einmal gesagt, ist es ein Segen, daß es den AUGUSTIN gibt…

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