Architektur
Nichtbauen ist das neue Bauen. So kann man den Imperativ einer ressourcenkritischen Architektur fassen, der, so der Titel eines sehr zugänglichen Bandes, von Sorge um den Bestand getragen wird. Gemeint ist nicht nur die nostalgische Sorge um die Schönheit von Fabrikfenster und Ziegeldach, Klinkerfassade und Schiffboden, sondern die zukunftsgewandte Sorge um die Ressourcen, die im Altbestand gebunden sind, und das CO2, das beim Neubauen in die Atmosphäre gepumpt wird.
Der Spaziergang, auf den das Buch mitnimmt, führt von Kampanien bis Liverpool, von Bad Hindelang bis Trofaiach. Der Erhalt ganzer Stadtviertel und ihrer einkommensschwachen Bewohner_innenschaft ist ebenso Thema wie architektonische Antworten auf die Frage danach, was wertvoll oder wertlos, schön oder schiach, brauchbar oder zu vergessen ist. Und nicht jede Bestandsnutzung erweist sich als erwünscht: Aus dem Beteiligungsprozess der «Werkstatt» am Berliner Alexanderplatz wird etwa ein abwertendes «Obdachlose wohnten hier» zitiert. Die sind dann scheinbar mit der lichtdurchfluteten, bürgernahen Neugestaltung verschwunden – wohin, das ist eine andere Sorge, der sich die Architektur auch stellen muss.
Olaf Bahner, Matthias
Böttger, Laura Holzberg (Hg.)
Sorge um den Bestand. Zehn Strategien für die Architektur
Jovis 2020, 208 Seiten 28,80 Euro