Sormeh tut wirklich gutArtistin

Musikarbeiter unterwegs ... mit Sormeh ins «Armenian Makedon Substitute Freylekh»

Golnar Shahyar, Mona Matbou Riahi und Jelena Popržan sind Sormeh. Mit persischen und serbischen Wurzeln machen sie aus Weltmusik eine weitreichende, offene Wundermusik.Als die Musikarbeiter zum Interview im Neruda in der Margaretenstraße eintreffen, herrscht im schönen Raum des kleinen Kultur-Clubs eine spezielle Atmosphäre zwischen Lockerheit und leichter Angespanntheit. Die Musikerinnen sind nach dem Soundcheck entspannt, gönnen sich Raum und Ruhe vor der später geforderten Konzentration. Hausherr Marco Antonio, der Barmann, und Anna, guter Geist an der Kasse, sind mit Vorbereitungen und Vorarbeiten für das knapp zwei Stunden später beginnende Konzert beschäftigt. Handgeschriebene Reservierungszettel werden auf Klappsessel und Barhocker (!) appliziert. Sormeh haben auch am zweiten Abend ihrer CD-Präsentation ein Publikum, das das Neruda füllt. Ein Lokal, wie geschaffen für ganz unmittelbare Musikerlebnisse. Unter den aufmerksam lauschenden und die intensive Musik genießenden Menschen finden sich später Musikerinnen wie Clara Luzia, Maja Osojnik oder Rina Kaçinari, die mit Popržan bei Catch-Pop String-Strong spielt (ja, der Musikarbeiter wäre für ein alternatives «Seitenblicke»-Format zu haben …). Die männlichen Kollegen von Shahyars großartiger Band Choub nicht zu vergessen, deren Gitarrist Mahan Mirarab beim Konzert und auf «Sormeh» (von Lotus Records veröffentlicht und vertrieben) zur Setar, einer persischen Laute, greift, um das Trio bei einem Lied aus dem Film «Rembetiko» zu unterstützen: «Kaigomai». Im Grunde müsste das Neruda im positiven Sinne bersten, so viele geographische, inhaltliche, musikalische, poetische und zeitliche Ebenen und Achsen treffen sich an diesem Abend beim Konzert von Sormeh und gehen wie mühelos in etwas auf, was nur als Schönheit zu definieren ist. Wie um noch eine zusätzliche Ebene einzuziehen, holt sich Jelena vom indischen Restaurant nebenan etwas zu essen.

Poesie ’n‘ Weltsound

Mona Matbou Riahi – sie spielt Klarinette und singt – und Jelena Popržan (Viola, Stimme, Loops, Wassergläser) beginnen die Geschichte von Sormeh – der Bandname bedeutet auf Persich «Lidstrich» – zu rekapitulieren. Wenig später gesellt sich Golnar Shahyar zu uns an den Tisch, eine, mit Verlaub, unglaubliche Sängerin, dazu spielt sie gelegentlich Daf (eine Trommel) und Berimbau (ein «Musikbogen»). Kennengelernt haben sich die drei Musikerinnen im Rahmen des von Alegre Corrêa initiierten Oficina Art Orchestra etwa 2006/2007. Von der dort visionierten musikalischen und geistigen Offenheit nahmen sich Sormeh, die unter diesem Namen seit etwa zwei Jahren arbeiten, einiges mit. Gleichzeitig war der ursprüngliche Ansatz, sich jüdischer und persischer Musik zu widmen, wichtig, um Sormeh neben den anderen Projekten der Beteiligten ein eigenes, klares Profil zu geben. Klar war und ist auch, dass das Trio nicht daran interessiert ist, Originale nachzuspielen, sondern eben ausgewähltes tradiertes Material aus unterschiedlichen Kulturkreisen – das Spektrum mittlerweile armenische, bulgarische, sephardische Lieder und mehr – in ihr Instrumentarium, ihren «Sound» zu übertragen und mit ihren künstlerischen Sensibilitäten zu interpretieren. Da wird ein Klezmerstück schon einmal lustvoll erweitert, Original-Texte frei in andere Sprachen übersetzt und gesungen, wie generell Poesie überhaupt eine große Rolle spielt. Golnar und Mona erzählen vom Einfluss, den etwa die Arbeit der 1967 verstorbenen persischen Dichterin Forough Farrokhz?d – «sie schrieb als erste Frau über Liebe, Sehnsucht … aus der Perspektive einer Frau» – auf ihre eigenen Texte hat. Mona Matbou Riahi und Golnar Shahyar liefern mittlerweile Texte für Eigenkompositionen oder die erwähnten Erweiterungen und Umdeutungen tradierten Materials, mehr Selbstgeschriebenes ist dabei eine der vielen Perspektiven, die diesem erstaunlichen Trio offenstehen. Greifbar die Freude der Musikerinnen, ihre erste CD fertiggestellt zu haben, eingespielt in drei mal drei Tagen im Studio von Christoph Burgstaller, der aufgenommen und gemischt hat. So wie es für die Musikerinnen in der trockenen Studioatmosphäre nicht ganz leicht war, den spielerischen Fokus zu finden, die vielbeschworene «Seele» ihrer Stücke einzufangen, verlangt die CD «Sormeh» mit ihren 12 Stücken von den Hörer_innen eine andere Konzentration als das Liveerlebnis Sormeh. Bei diesem kann mensch sich einfach fallen und wegtragen lassen, zur Musik gibt es die Interaktion der Musikerinnen untereinander und mit dem Publikum als sinnliche Signale, die beim reinen Hören naturgemäß fehlen. Dabei entfaltet ein Lied wie «Mosha Cheshmeh» da wie dort eine große, anrührende Wirkung, wie es sich für ein Lied über die Liebe gehört. So wie Sormeh überhaupt eine Musik machen, die weit über Wien, Bern und Mailand (dort wurde schon konzertiert) ihre Liebhaber_innen finden sollte.

Sormeh: «Sormeh» (Lotus Records)

www.sormeh-music.com

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