Wiener Jobmesse am 10. Juni im Zeichen der Krise der staatlichen Arbeitsmarktpolitik
Sie heißen fix und fertig, WUK-Monopoli, jobstart, Café Max, sprungbrett, Needles or Pins oder ABAK (Arbeitsvermittlung für AkademikerInnen mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung); sie stellen zum Beispiel Dinge her, die man in Wien gerne trägt (Dinge wie den Mode-Dauerbrenner F13-T-Shirt, bedruckt in der fix-und-fertig-Werkstatt); sie müssen im Auftrag des AMS Menschen, die aus verschiedensten Gründen, etwa einem körperlichen Handicap, eine lange Zeit der Beschäftigungslosigkeit hinter sich haben und schwer vermittelbar sind, fit für den Arbeitsmarkt machen. Die Rede ist von den sogenannten sozial-ökonomischen Betrieben (SÖB), deren Dachverband am 10. Juni im WUK interessierte Langzeitarbeitslose zur Jobmesse einlädt.
Von 10 bis 16 Uhr haben BesucherInnen die Möglichkeit, sich bei rund 25 Beratungs- und Betreuungseinrichtungen, sozial-ökonomischen Betrieben sowie gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten über ihre beruflichen Perspektiven zu informieren, erklärt Christoph Parak, Geschäftsführer des Dachverbands, im Augustin-Gespräch. Weil unsere Einrichtungen derzeit zumindest 70 freie Arbeitsplätze für langzeitbeschäftigungslose Menschen zu vergeben haben, und zwar in verschiedenen Handwerks- und Dienstleistungsberufen, kann man sich im WUK nicht nur beraten lassen, sondern unter konkreten Jobangeboten wählen.
Schmalz: Nicht gerade die beste Referenz
Freilich, bei diesen 70 Jobangeboten gibt es einen Haken: Sie sind sehr, sehr temporär. Die Dauer dieser Transitarbeitsplätze ist kürzlich von einem Jahr auf ein halbes Jahr verkürzt worden. Dies ist eine der Vorgaben des AMS Wien, von dessen Geldern die Wiener SÖB abhängig sind. Besser als die Halbierung wäre eine Verdoppelung der Beschäftigungsdauer gewesen. In einem halben Jahr Personen mit eingeschränkter Produktivität zur Wiedererlangung jener Fähigkeiten, die Einstiegsvoraussetzung in den regulären Arbeitsmarkt sind, zu bringen: Diese in der Bundesrichtlinie für die Förderung der SÖB fixierte Zielstellung klingt nach Quadratur des Kreises, abgesehen davon, dass man die Autoren dieser Richtlinie befragen sollte, warum man Menschen mit eingeschränkter Produktivität in einen Arbeitsmarkt pressen sollte, der selbst hoch produktiven Menschen immer seltener offensteht.
Eine andere AMS-Vorgabe: Die sozial-ökonomischen Betriebe sind je nach Handicap-Grad der KlientInnen verpflichtet, gewisse Quoten der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erfüllen. Diese Quoten werden in den einjährigen Fördervereinbarungen zwischen den Betrieben und dem AMS festgelegt und betragen zwischen 33 und 50 Prozent. Die SÖB müssen also ein Drittel bis die Hälfte ihrer Schwervermittelbaren mit regulären Jobs versorgen, andernfalls kann die Finanzierung gestrichen werden. Sie stehen vor einem Dilemma: Durch die Verkürzung der Transitarbeitsdauer laufen mehr Langzeitarbeitslose als bisher durch das sozial-ökonomische Jobtraining, während die Wirtschaftskrise es zunehmend illusionär macht, dass Langzeitarbeitslose eine wirkliche Chance am regulären Arbeitsmarkt bekommen. Die Unternehmen entledigen sich derzeit der fittesten Beschäftigten man kann sich vorstellen, wie heiß sie auf Jobsuchende sind, die aus dem sozial-ökonomischen Randbereich kommen.
Eine dritte Vorgabe: Allen Betroffenen, die in Realität lange Zeit vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen waren, aber nach den AMS-Kriterien nicht als Langzeitbeschäftigungslose gelten, ist der Zugang zu einem der sozial-ökonomischen Betriebe versperrt. Das sind Haftentlassene, die nicht als Langzeitarbeitslose anerkannt werden, wenn sie einen Job im Gefängnis hatten, und Menschen, die durch Teilnahme an den AMS-Zwangskursen künstlich aus der Langzeitarbeitslosenstatistik herausoperiert werden.
Einmal mehr als Polizei erlebt: das AMS
Es fällt übrigens auf, dass das AMS die Jobmesse im WUK nicht mitträgt. Aus dem AMS-Inneren ist hinter vorgehaltener Hand zu erfahren, dass frühere Veranstaltungen dieser Art, damals Jobbörse genannt, vom AMS für seine Funktion als quasi-polizeilicher Arbeitslosenkontrolleur missbraucht worden seien: Es habe seine KlientInnen bei Strafe eines Abzugs der Arbeitslosenunterstützung gezwungen, diese Veranstaltung zu besuchen. Die Umbenennung in Jobmesse signalisiere, dass der Dachverband der sozial-ökomomischen Betriebe ein anderes Konzept als das AMS verfolge, erklärt Christoph Parak: Gespräche zwischen Anbietern und Bewerbern in gleicher Augenhöhe, ohne Zwang.
Die Missstimmung zwischen Jobmesse und AMS hat einen systemischen Grund: Wenn das AMS seinen Anspruch, DER Servicemonopolist für arbeitssuchende Menschen zu sein, realisieren würde, könnte man sich Jobmessen ersparen. Wie sehr Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, zeigt eine Studie über die Unwirksamkeit der deutschen Arbeitsagenturen, des Pendants zum österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS). Meiner Erfahrung nach kann man diese deutschen Ergebnisse durchaus auf Österreich übertragen, meint Christoph Parak. Beide, die deutsche Agentur und das heimische AMS, verstehen sich als moderne Dienstleistungsunternehmen ihre Kundinnen und Kunden sind vor allem Menschen, die in den Arbeitsmarkt zurückkehren wollen. Beide scheitern insofern, als die Hilfesuchenden schließlich meist durch persönliche Beziehungen oder durch Stellenangebote in Medien zum Job kommen, nicht durch das Service der staatlichen Arbeitsvermittlungsbürokratie.
Freundeskreis bringt Jobs, nicht der AMS-Berater
Eine vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung durchgeführte Untersuchung kam zu dem Schluss, dass jeder dritte Erwerbslose, der auf den Arbeitsmarkt zurückkehren will, mit Hilfe von Freunden und Bekannten einen neuen Job findet. Stellenangebote in Zeitungen oder im Internet spielen ebenfalls eine wichtige Rolle (gut 19 Prozent), und sonstige Informationsquellen sind mit beachtlichen 20 Prozent vertreten. Die behördlichen Aktivitäten fallen dagegen kaum ins Gewicht. Lediglich 14,4 Prozent der Arbeitssuchenden fanden über die Vermittler der Bundesagentur für Arbeit eine neue Stelle. Eine entsprechende Untersuchung in Österreich käme auf ähnliche Ergebnisse.
Erklärungen für dieses unerfreuliche Gesamtergebnis liefert eine weitere Studie: Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung werteten Sozialwissenschaftler Erstgespräche in Arbeitsagenturen aus und kamen zu dem Schluss, dass die von der deutschen Bundesagentur vorgegebenen Gesprächsraster kaum Raum lassen, um die jeweiligen individuellen Voraussetzungen oder Probleme, Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der Rat- und Hilfesuchenden zu berücksichtigen. Die Vermittler seien beim ersten persönlichen Gespräch vielmehr damit beschäftigt, vorgefertigte Einträge in einem umfangreichen Computerformular auszuwählen.
Die Gesprächskultur des Aushandelns, das auf Augenhöhe zu einer Verständigung über gemeinsame Ziele und Vorgehensweisen führt, wäre der Idealfall. Gespräche dieses Typs zwischen den behördlichen Arbeitsmarktberatern und den Arbeitssuchenden sind im System nicht vorgesehen.
Quelle: Telepolis
Info:
Die Jobmesse des DSE Wien
(Dachverband der sozial-ökonomischen Einrichtungen)
Mittwoch, 10. Juni
10.00 bis 16.00 Uhr
WUK, Großer Saal
1090, Währinger Straße 59
Special Guest: Roland Neuwirth Trio
www.dse-wien.at