Sozialhilfe: Return to Sendertun & lassen

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Ein explosives Paket wird da gerade geschnürt, das uns allen schaden wird und uns auseinandertreiben soll. Massive Verschlechterungen in der Mindestsicherung, Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik mit einer Algorithmus-Verteilung der Mittel je nach Vermittlungschancen und die angekündigte Abschaffung der Notstandshilfe. In Deutschland waren das genau die Schritte zur Einführung von Hartz IV und von Ein-Euro-Jobs.

Ich habe einen Vergleich des Sozialhilfegesetzes mit Hartz IV angestellt – und auch alle Familienleistungen von Familienbeihilfe bis Schulstartgeld dazugezählt. Trotzdem sind die Werte geringer als bei Hartz IV. Österreichische Familien mit Kindern, die Sozialhilfe beziehen, werden künftig deutlich weniger Geld als Hartz-IV-Familien in Deutschland zur Verfügung haben. Bei Eltern mit einem Kind beträgt der Unterschied
€ 45 im Monat, bei zwei Kindern müssen Familien in Österreich mit € 126 weniger auskommen als deutsche Hartz-IV-Kinder. Familien mit drei Kindern haben künftig monatlich um € 270 weniger zur Verfügung. Damit werden zukünftig österreichische Kinder in größerer Armut als Kinder in Deutschland aufwachsen. Und das will was heißen, wenn man die katastrophalen Auswirkungen von Hartz IV auf Gesundheit und Chancen berücksichtigt. Mehr als 100.000 Kinder sind in Österreich auf Mindestsicherung angewiesen. Wenn in Österreich die Notstandshilfe abgeschafft werden sollte, sind noch mehr Familien und Kinder betroffen. Dann bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes für viele Menschen und insbesondere für Eltern und ihre Kinder den Absturz ganz nach unten.

Es handelt sich hier um einen Systembruch zu Lasten der Sicherheit der unteren Mittelschichten. Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst die Schwerpunktsetzung des österreichischen Sozialstaatsmodells betrachten. Die kontinentaleuropäischen Sozialstaaten wie Deutschland und Österreich fußen auf dem Bismarck’schen Sozialversicherungssystem. Die Idee bestand darin, dass das letzte soziale Netz der Mindestsicherung nur dann zur Anwendung kommt, wenn das vorgelagerte Netz versagt. Damit soll der Mittelschicht eine Statussicherheit gewährt und ein ökonomischer wie gesellschaftlicher Absturz verhindert werden. Kurz gesagt: Das hiesige Sozialstaatsmodell versuchte die Mittelschichten zu schützen und möglichst lange zu stützen. Wenn wir jetzt aber dieses vorgelagerte Netz der Notstandshilfe abschaffen, die Arbeitslosenversicherung und die damit verbundenen sozialen Rechte schwächen, gleichzeitig die Mindestsicherung weiter kürzen, dann passiert es, dass die Menschen bis weit in die Mittelschicht hinein viel schneller in das letzte Fürsorgenetz fallen als früher.

Durch die Einschnitte werden die Mindestlöhne unter Druck gesetzt. Wenn die Leute Angst haben, leichter in der Armutsfalle zu landen, nehmen sie jeden Job an und sind auch bei Gehaltsforderungen den Arbeitgeber_innen stärker ausgeliefert, nur um nicht «in den Keller zu fallen». Dies zeigt auch die Entwicklung in Deutschland: Die fatale Nebenwirkung von Hartz IV war ein riesiger Niedriglohnmarkt, der prekäre und ausgrenzende Arbeitsbedingungen für Hunderttausende gebracht hat. Arbeit, von der man nicht leben kann, ist das große verschwiegene Thema hinter der Debatte um die Mindestsicherung. Das Ganze wird soziale Unsicherheit erhöhen und die Schere zwischen Arm und Reich vergrößern.
Was macht man mit so einem explosiven Paket? Zu unser aller Sicherheit entschärfen. Aber jedenfalls zurückschicken an den Absender.

Foto: Armutskonferenz