SparenDichter Innenteil

Offiziell wird nun also für Verständnis zum Sparen aufgefordert. Ganz nebenbei wird um Anständigkeit gebeten. Zwei Dinge, die von einer Regierung artikuliert werden, an einem Tag. Der Zeitpunkt spielt dabei keine Rolle. Das könnte längst gewesen sein oder auch erst kommen, bemerkenswert ist es immer. Eines nach dem anderen.In diesem Land wird, sobald eine Idee den Zustand einer Artikulation erreicht hat, zuallererst österreichisch analysiert, d. h. es folgt eine sehr lange Liste von Dingen, die nicht funktionieren werden oder können. Eine Idee, die es schon lange gibt, die logisch erscheint und als eine der am heftigst diskutierten gilt, ist eine höhere Besteuerung von Vermögen. Diese Sache muss einer gründlichen Analyse zugeführt werden. Diese Analyse wird nun weder eine volkswirtschaftliche noch eine betriebswirtschaftliche. Es wird vielmehr eine Psychoanalyse. Nennen wir es Problemerörterung möglicher psychischer Beeinträchtigungen im Fall von Vermögensverringerung im einstelligen Prozentbereich bei Eurovermögen ab einem siebenstelligen Bereich. Wie viel Geld lukriert und flüssig gemacht werden könnte, ist im Großen und Ganzen bekannt, das muss hier nicht erwähnt werden. Es ist in jedem Fall sehr viel Geld. Auch die Gefahr des Kapitalabzugs aus Österreich in steuergünstigere Staaten ist bei weitem nicht so groß, wie es von den Vermögensbeschützern befürchtet wird.

Nehmen wir also eine schöne runde Zahl, zum Beispiel zehn Millionen Euro, in Zahlen: 10.000.000, Man bräuchte ziemlich lange, um das Geld zu zählen. Ausgeben kann man es in dieser Zeit wohl auch nicht. Werden von diesen zehn Millionen nun ein paar hunderttausend subtrahiert, blieben immer noch über neun Millionen übrig. Wie wir wissen, bringt eine ordentliche Wirtschaftskrise ein interessantes Phänomen mit sich. Wenn nämlich alles kracht, Jobs verloren gehen, Staaten Banken unterstützen, damit diese nicht über den Jordan gehen müssen, die Staaten ihrerseits anschließend von Ratingagenturen wie Rotznasen geschnäuzt werden und überhaupt alles den Bach runtergeht, vermehren sich Vermögen immer noch. Ein bisschen langsamer vielleicht, aber doch. Das heißt zugleich, dass der Abzug von einem nicht wirklich fassbaren Anteil eines Vermögens höchstwahrscheinlich nach gar nicht langer Zeit gar nicht mehr bemerkbar wäre. Zusätzlich kann festgehalten werden, dass ein derartiges Fortbestehen von Einkünften nicht in direktem Zusammenhang mit Arbeit stehen kann: Wenn nämlich alles stagniert, nur ein Haufen Geld immer noch größer wird. Die Frage, die zu stellen ist: Welche Schmerzen oder Angstzustände können in Menschen entstehen, die so viel Geld besitzen, dass es nur möglich erscheint, höchstens Bruchteile davon tatsächlich sinnfüllend auszugeben, wenn es daran ginge, ein paar Bruchteile davon abzugeben, um etwas zum Allgemeinwohl beizutragen? Welche Art von Angst entsteht dabei?

«Die richtige Gier ist verständlich und verzeihlich»

Es gibt angeblich verschiedene Sorten von Gier. Diese Äußerung tätigte jemand in einer Radiosendung im Zusammenhang mit Börsenspekulationen, die mitunter von Menschen getätigt werden, die eine spezielle Sorte Gier treibt. Eine Gier, die aber im Vergleich zu der uns Gier-Laien bisher einzigen bekannten Gier keinesfalls als eine niederträchtige betrachtet werden darf, die etwa Maßlosigkeit oder sonst was Verwerfliches als Beweggrund hätte. Es ist vielmehr eine Gier, die aus der Dynamik des Wachstums entsteht. Diese ist auch wieder total nachvollziehbar und einfach nicht böse gemeint. Auch wenn vieles rundherum zugrunde geht. Woher sollen das an Börsen Tätige denn auch wissen oder ahnen? Wir lernen: Die richtige Gier ist verständlich und verzeihlich. Und nicht nur das: Wahrscheinlich ist diese spezielle Art von Gier mit schuld an einer speziellen Art von Existenzangst, die dem herkömmlichen Angstlaien ähnlich unzugänglich bleiben wird wie die Spezialgier. Was sollten auch Menschen, die trotz Vollbeschäftigung nicht genug Geld haben, schon für eine Ahnung von Existenzängsten haben? Welche Ahnung sollten Menschen von echten existenziellen Bedrohungen haben, die nicht einmal Arbeit finden, weil sie alleine nicht mehr schaffen, was zwei Personen machen sollten? Was für eine Ahnung haben solche Leute tatsächlich von der Angst vor der Möglichkeit, eine Summe Geld hergeben zu müssen, die vielen Familien über viele Jahre eine Existenz sichern würde, und dann noch immer ein Vermögen übrig bliebe, dass eine Existenzangst definitiv als unbegründet zu bezeichnen ist? Wahrscheinlich weil sie schon vergessen oder gar nie gewusst haben, dass es ein gesichertes und würdiges Leben auch geben kann.

Vermögen gehören stabilisiert!

Stefan Quandt, BMW-Erbe und Spross der Industriellenfamilie Quandt, die während der NS-Zeit etwa 50.000 Zwangsarbeiter beschäftigte und das bereits vorhandene Vermögen und ihren Einfluss weiter vergrößern konnte, hat es in einem Interview in der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» ganz gut beschrieben, wie schwierig es ist, reich zu sein. Auf die Frage, was die Familie mit einer Dividende von zuletzt 365 Millionen Euro eigentlich macht, lautete die Antwort: «Wir verwenden das Geld, um das Vermögen zu stabilisieren. Ich habe keinen großen Geldspeicher wie Dagobert Duck.» Aha. Daraus erkennen wir den Kern des Problems und schließen unsere Augen demütig nach deren einleuchtender Öffnung: Es geht um die schlichte Existenz des Vermögens an sich. Auch wenn es sich nicht ausschließlich um reelle Werte handelt wie Münzen, in denen gebadet werden kann, geht es um die Aufrechterhaltung von Zahlen auf Papier oder digital, die sich durch die richtigen Vorzeichen zum Sein und zum Glück der Besitzenden als ausschlaggebend herausstellen. Würden diese Zahlen zum Leben erweckt und zum Fließen gebracht, könnte also viel Gutes geschehen. Das wird aber offensichtlich weitestgehend vermieden, wenn man Phrasen wie diesen ungläubig folgt und die Gewissheit erlangt, dass sie gänzlich ernst gemeint sind. Keine Spur von Ironie. Dieser Zustand könnte als pathologisch betrachtet werden.

Fehlende Bodenhaftung

Betreff Anständigkeit: Da müsste man nachfragen, an wen genau diese Aufforderung zum Sparen gerichtet ist. Üblicherweise wird so eine Aufforderung an alle gerichtet sein, an die meisten allerdings ein bisschen mehr und vor allem kompromissloser, da wird nicht verhandelt, da wird gespart. Es ist zum Beispiel nicht anständig, wenn behauptet wird, dass aufgrund von Maßnahmen für Mindestrentner und Menschen mit sehr kleinen Pensionen nun die etwa 30 Euro, die pro Monat mehr in der Geldbörse bleiben, relativ viel Geld ist im Vergleich zum monatlichen Gesamtbetrag. Das ist ausschließlich zynisch. Aber es spiegelt die fehlende Bodenhaftung von Menschen wider, die sich bei einer solchen Aussage nichts weiter denken. Man wünscht sich eine andere Anständigkeit herbei. Man wünscht sich, dass die Leute anständig bezahlt werden. Man wünscht sich, dass dieses Land aus seiner Lethargie erwacht und sich einmal anständig aufregt über die Dinge, die hier vorgehen.