Zum Racket die Gitarre: Mit Christian Purkhauser steht dem Tennisclub Wienerberger ein Obmann vor, der auch Rockmusiker ist.
TEXT & FOTOS: WENZEL MÜLLER
Wie sich die Zeiten ändern! In meiner Jugend, lange ist es her, war es noch so, dass die feinen Leute in den Tennisclub gingen und die sogenannten einfachen in den Fußballverein. In Böblingen in Deutschland, wo ich aufwuchs, lagen (und liegen) beide Vereine direkt nebeneinander – und waren doch ganz verschiedene Welten. Hier schwang man das Racket, dort trat man nach dem Ball. Damals dominierte auf dem Tennisplatz noch weiße Kleidung.
Diese Zeit ist vorbei. Jedenfalls beim Tennisclub Wienerberger im 10. Bezirk. Statt weißer Kleidung trägt Christian Purkhauser ein rotes T-Shirt mit Loch, dazu Zigarette und lange Haare. Er ist der Obmann des Vereins. Keine Spur von steifer Noblesse, er sieht vielmehr aus wie ein Rockmusiker – und ist es auch. Lange spielte er in der inzwischen aufgelösten Band Sweat Rock.
Rockmusiker und Tennisclub-Präsident: eine Kombination, die mit meinen mächtigen Jugenderinnerungen nur schwer in Einklang zu bringen ist. Ich erlebte Tennis immer als einen Sport mit elitärem Gehabe. Sollte es damit vorbei sein? Vielleicht nicht überall, doch hier auf jeden Fall. Klickt man die Homepage des Vereins an, sieht man als Erstes ein Bild von Kindern beim Training, scrollt man weiter, dann eines von einem gut gefüllten Krügel. Tennis und Bier, das klingt nach gesunder Bodenhaftung.
Übers Netz hinaus.
Einerseits ist der TC Wienerberger ein ganz normaler Verein, mit Meisterschaft und allem, was dazugehört. Andererseits aber auch etwas anders. Neben der Kantine ist eine Bühne. Hier lassen es Musikgruppen mitunter krachen, hier fand zuletzt auch eine Buchpräsentation zum bedingungslosen Grundeinkommen statt. Kurzum: Bei diesem Tennisclub schaut man über den Rand des Tennisnetzes hinaus.
Vor mehr als 20 Jahren übernahm Purkhauser den Verein mit Anlage von seinem Vater, der ihn ab 1963 mitaufgebaut hatte – damals eine Einrichtung des Unternehmens Wienerberger für seine Arbeiter:innen und Angestellten, die später an die Stadt Wien vermacht wurde.
Die vielbefahrene Triester Straße ist ganz in der Nähe, doch von ihr hört man auf dem Tennisplatz nichts. Am Abend zirpen die Grillen, und die Leute sitzen auf der Veranda der Kantine unter bunten Glühbirnen zusammen, wie auf einem Campingplatz.
An einen Campingplatz erinnert auch die Arbeit, die Tag für Tag auf der Tennisanlage gemacht werden muss. Aufsperren, reinigen, reparieren, organisieren. Dies alles macht Purkhauser. Er ist nicht nur Vereinspräsident, sondern auch Pächter, Platzwart, Kantinenbetreiber, Putzmann. Also für alles zuständig. Ein 16-Stunden-Job. Erst wenn der letzte Gast am Abend sein Bier fertig getrunken hat und geht, hat er Feierabend.
Die Arbeit an der frischen Luft gefalle ihm, erzählt Purkhauser, immer gebe es etwas zu tun, und wenn zu viel, bekomme er zuverlässig Hilfe von seiner Frau und seinen beiden Kindern. Weniger schön seien die regelmäßigen Auseinandersetzungen mit der MA 51, dem städtischen Sportamt, ebenso, dass Diebe hier immer wieder ihr Glück versuchten. Schon 24 Mal sei bei ihnen eingebrochen worden, mal waren Tennisschläger weg, mal Schokoladenriegel, kein großer Verlust, aber jedes Mal sehr ärgerlich, weil die aufgebrochenen Türen wieder repariert werden mussten.
An diesem Tag wird nur auf einem Platz gespielt. Gewitter ist angesagt, das hält die Leute offenbar fern. Tennis – ein mondäner Sport? Nein, sagt Purkhauser, vor allem sei das ein Sport, der auch im Alter gut ausgeübt werden könne. Selbst mit 83 Jahren komme sein Vater noch regelmäßig auf den Platz. Die Gelenke würden nicht übermäßig strapaziert, zudem könne man sich mit seinem Partner auf einen gemütlichen Ballwechsel einigen. Da ohne Körperkontakt, sei die Verletzungsgefahr gering. «Wir haben von der Pandemie profitiert, weil die Corona-Beschränkungen nicht für Tennis galten. Plötzlich kamen so viele Leute wie nie zuvor. Und damit kam so viel Geld herein, dass endlich ein neuer Rasenmäher gekauft und die Netze gewechselt werden konnten», sagt Purkhauser.
Als Pächter einer Tennisanlage macht man nicht gerade das große Geld. Dafür hat Purkhauser den ganzen Winter frei, da ist Spielpause, denn der TC Wienerberger verfügt über keine Halle. Eine Pause, die er zusammen mit seiner Familie gerne auf den weiten Meeren verbringt. Sie besitzen ein Segelboot, mit dem sie schon die halbe Welt bereist haben. Die beiden letzten Winter konnten sie wegen Corona nicht zu ihrem Boot, das gerade auf den Kanarischen Inseln liegt, doch dieses Jahr sollte es wieder klappen.