Sprechblasen-GuerillaArtistin

"Bubble Project" macht selbst Gewista-Flächen lesenswert

bubbles.jpgJi Lee lebt in New York als Designer und Künstler. Das ergibt ein paradoxes Leben: Er entwirft Werbung und kämpft gegen Werbung an. Letzteres gelang ihm am bemerkenswertesten mit seinem Bubble Project. Er druckte tausende leere Sprechblasen aus und klebte sie auf New Yorker Plakatwände, so dass die Passanten die Möglichkeit hatten, auf die Reklame zu reagieren. Wenn es stimmt, dass Wien die Hauptstadt des Wiener Schmähs ist, sollte die Sprechblasen-Guerilla, eine Spezies der Gattung Street Art, in der Lage sein, Gewista-Plakatwände erstmals lesenswert zu machen.

Ji Lee war es leid, immer nur die Einbahnstraßen-Kommunikation der Werbung zu erleben. Sein Einfall mit den Massen-Bubbles war so einfach wie genial. Er dokumentierte die Sprüche, die die New Yorker auf die Blanko-Sprechblasen kritzelten, am Ende als eine eigenständige Kunstaktion. Auf seiner Website sind viele Beispiele zu sehen, auch von nachfolgenden Aktionen in anderen Städten der Welt, und es gibt die Schablonen für die Sprechblasen zum Herunterladen, so dass jeder von uns losgehen und in seiner Stadt für ein wenig mehr Mitspracherecht sorgen kann.

Wenn wir schon nicht verhindern können, dass Textilfirmen die Stadt mit sexistischen Plakaten und Ultrarechtsparteien dieselbe mit ausländerfeindlichen und Angst erzeugenden Parolen überschwemmen, so können wir mithilfe der Bubbles unsere ätzenden Kommentare dazu angeben: Bubbles demokratisieren den öffentlichen Raum!

Jedes beschriftete Bubble ein Sandkorn im Getriebe

Und Bubbles bringen Humor in die Stadt. Man muss sie ja nicht immer nur gegen manipulative Werbung und populistische Propaganda einsetzen es kann manchmal auch das Amüsement der PassantInnen im Vordergrund stehen. Allerdings, der Projekterfinder selbst hat einen durchaus politischen Anspruch: Ziel ist ein Gegenangriff auf die Botschaften der Medien, mit denen sie uns überhäufen, damit der Monolog der Konzerne von einem echten öffentlichen Dialog abgelöst wird, sagte Ji Lee in einem Interview. Durch das Bubble Project werden die langweiligen und aufdringlichen Monologe der Konzerne im öffentlichen Raum unmittelbar zu lustigen Dialogen, bei denen jeder mitmachen kann. Die Leute sind zum Großteil passive Empfänger der Botschaften der Medien. Durch die Sprechblasen wird dieser Vorgang auf den Kopf gestellt, da die Leute die Möglichkeit haben, aktiv an der Kommunikation teilzunehmen, und somit in die Position kommen, den Medien etwas entgegensetzen zu können. Allgemeiner gesprochen soll dies ein Sandkorn im Getriebe sein, eine Unterbrechung der täglichen Routine.

Man sollte auch in Wien einmal tausende Bubbles kleben und die Beiträge in den Sprechblasen dann mit den Resultaten ähnlicher Aktionen in anderen Städten vergleichen. Würde es Übereinstimmungen geben? Würde sich die Seele der Stadt darin ausdrücken? Würden die Kommentare der PassantInnen in eine bestimmte Richtung gehen? Gegen die Werbeplakate selber oder gegen das, wofür sie stehen, oder diejenigen, die darauf zu sehen sind? Oder würden in Wien viele Sprechblasen wochenlang leer bleiben, weil es sich nicht gehört, eigene Botschaften im öffentlichen Raum zu hinterlassen? Oder würde Helmut Seethaler die Sprechblasen mit seinen Zettlegedichten füllen?

Ein Moment des Ausbruchs aus der Routine

Für mich haben alle Beiträge ihre Berechtigung, meint der Bubblemaker. Die Tatsache, dass man seine Routine verlässt, um die Sprechblasen auf den Plakaten anzuschauen, dass man über etwas anderes nachdenkt, einen Stift rausholt und etwas in die Bubbles reinschreibt, darauf kommt es an. In diesem kurzen Moment bricht die Person aus ihrer täglichen Routine aus und wird ein kreativ und individuell denkender Mensch. Es ist also eher der Kontext als der Inhalt, der mir wichtig ist. Ich ermögliche Dinge, und gleichzeitig beobachte ich sie. Als derjenige, der sie ermöglicht und diesen Kontext schafft, habe ich keine Meinung darüber oder Wünsche zu dem, was in den Sprechblasen steht. Alles ist richtig. Als individueller Beobachter allerdings habe ich zum Inhalt meine eigene Meinung und meine Vorlieben, wie jeder andere Passant auch. Die einzige Regel, die ich mir beim Bubble Project gesetzt habe, ist, niemals selber eine Sprechblase auszufüllen.

Das in New York beliebteste Themen in den Sprechblasen: Sex. Ji Lee dazu: Ich glaube, das ist ziemlich einleuchtend, weil die meisten Menschen sich sexuell unterdrückt fühlen und die Anonymität der Sprechblasen ihnen erlaubt, aus dieser Unterdrückung auszubrechen. Ansonsten gibt es aber auch viele andere Äußerungen, so verschieden wie das Leben selbst.

www.thebubbleproject.com

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