Aufschrei gegen Streichung des Heizkostenzuschusses
Die Stadt Wien stellt die Auszahlung des Heizkostenzuschusses ab 2013 ein. Stattdessen soll es Sachleistungen geben. Dieser Schritt stößt bei den Betroffenen wie bei Selbsthilfegruppen und Sozialprojekten auf entschiedene Ablehnung. Zwei dieser Stimmen geben wir hier Raum: der Initiative BMIN (Behinderte Menschen in Not) und dem Rechtsberater der Augustin-Verkäufer_innen, Wilhelm Jenik.Der «Ersatz» des Zuschusses heißt «Wiener Energieunterstützung» und soll auf drei Säulen liegen. Erstens: Alte Fünf-Liter-Durchlauferhitzer werden gegen neue, sicherere und sparendere Geräte getauscht. Die zuständige MA 40 vergibt dafür eine Förderung von maximal 700 Euro, rund 1600 Haushalte kommen dafür in Frage. Sie werden in den nächsten Monaten direkt angeschrieben. Zweitens: Für Hunderte einkommensschwache Haushalte, die von den MA-40-Mitarbeiter_innen ausgewählt werden, wird es eine Energieberatung geben. Für neue Fensterdichtungen oder beim Tausch alter Kühlschränke oder Waschmaschinen kann es eine Kostenbeteiligung der Stadt geben.
Die dritte Säule richtet sich an Menschen mit «besonderer Bedürftigkeit». Für diese übernimmt die Stadt einmalig Rechnungen bzw. Energiekostenrückstände, um die Sperrung von Strom oder Gas zu verhindern. Diese Unterstützung kann ganzjährig
also nicht nur im Winter beantragt werden. Die soziale Lage werde aber von der MA 40 «strikt geprüft», betonte Sozialstadträtin Wehsely.
Zur Säule 1: Es sei fraglich, ob sich ein Sozialhilfeempfänger den Restbetrag auf einen neuen Durchlauferhitzer leisten kann, kommentiert die Initiative BMIN. Außerdem betreffe es lediglich 1600 Wiener Haushalte, die noch einen alten Fünf-Liter-Durchlauferhitzer verwenden; und wie viele Haushalte davon Sozialhilfeempfänger sind, gehe aus den Zahlen nicht hervor.
Zur Säule 2: Zu hinterfragen sei, so BMIN in einer Presseaussendung, das Auswahlverfahren der MA 40, sowie die Sinnhaftigkeit einer Energieberatung. Der Einbau energiesparender Fenster zum Beispiel obliege der Zuständigkeit des Hauseigentümers und auch der Einbau von Fensterdichtungen ist nicht Angelegenheit der MA 40. Außerdem, wie schon oben erwähnt, garantiere ein Zuschuss für eine_n Sozialhilfeempfänger_in nicht die Leistbarkeit einer neuen Waschmaschine oder eines neuen Kühlschranks.
Zur Säule 3: «Bei Menschen mit besonderer Bedürftigkeit wurden auch schon bisher die Energiekosten von der Stadt Wien übernommen. Auch dies stellt keine Verbesserung der Situation dar», stellt die Initiative BMIN fest.
Das neue System sei nachhaltiger und treffsicherer, argumentierte Sozialstadträtin Sonja Wehsely. Ihr Ziel sei, «von der Gießkanne wegzukommen». Denn die Einmal-Überweisung sei auch für andere Zwecke als zur Heizkostenbegleichung verwendet worden. An der Zielgruppe ändere sich nichts. Einen Antrag könnten alle Mindestsicherungsbezieher_innen, Mindestpensionst_innen und Pensionist_innen, die Mietbeihilfe erhalten, stellen.
Ist es ein Verbrechen, wenn der Heizkostenzuschuss für Milch und Brot verwendet wird?
«Scheinbar hat Wehsely und ihre Berater noch nie eine finanzielle Notsituation erlebt, denn sonst könnte man nicht so argumentieren. Wenn man Hunger hat, ist es egal, welche finanzielle Hilfe man für die Befriedigung der Grundbedürfnisse verwendet, selbst wenn es die mageren hundert Euro des Heizkostenzuschusses sind. Deshalb ist es verwunderlich, dass gerade die Caritas ein Lob für diese neue Umstellung ausspricht», heißt es im BMIN-Statement.
Völlig überrascht war Wilhelm Jenik, der Augustinverkäufer_innen juridisch berät, von der Haltung der Caritas. Sein Brief an den Direktor der Caritas Wien, Michael Landau, fiel entsprechend wütend aus: «Mit prononcierter Festigkeit muss festgehalten werden, dass die Abschaffung des Heizkostenzuschusses weder aus sozialpolitischem noch aus christlichem Aspekt tragfähig und anständig ist. Sie ist vielmehr ein gemeiner und brutaler Schlag ins Gesicht der sozial Schwachen in Wien (insbesondere von Kindern, die betroffen sind)», urteilt Jenik.
Er hätte da eine Frage an die Caritas, schreibt er an den Direktor: «Wie werden die Menschen den heurigen Winter unter Mitberücksichtigung der Heizkostenteuerung über die Runden kommen? Die Zustimmung der Caritas Wien bedeutet in der Lebensrealität reinsten Zynismus, da die Betroffenen diesen Fehlbetrag nur noch als einzig verbleibende Möglichkeit (oder wissen Sie eine andere?) von den Essensausgaben abzwacken können. D. h., wenn wir es auf den Punkt bringen, die Caritas Wien, gleich der Wiener SPÖ, stellt die Armen dieser Stadt vor die Wahl: Willst du nicht frieren, dann hungere, und willst du nicht hungern, dann friere.» Jenik führt die Haltung der Caritas auf ihr total gewordenes Abhängigkeitsverhältnis zur Sozialstadträtin Wehsely zurück. Die Caritas Wien ist als Geschäftspartner in vielen Bereichen auf Subventionen der Stadt angewiesen.
«Damit Sie eine Ahnung haben, was normaler Alltag von Armutsbetroffenen ist, darf ich von mir selbst berichten», schließt Jenik seinen Brief. «Ich habe in meiner Wohnung aus Kostengründen nie die Heizung aufgedreht und heute in der Küche wieder die Heizung abgedreht, weil eines meiner Kinder diese heimlich eingeschalten hat. Ich glaube auch kaum, dass Sie und Wehsely bei 15 bis 17 Grad in Ihrem Büro sitzen (müssen). Dabei ist meine Situation viel harmloser als die von zig tausend anderen Menschen, die ohne Heizung leben.»
Liebe Frau Stadträtin!
Seit uns die Fernwärme im letzten Winter hinlänglich ausgesaugt hat, schützen wir uns vor dem Erfrieren mit Smirnoff-Vodka, Grassl-Gebirgs-Enzian und Bailoni-Gold-Marillenschnaps. Bitte um Sachleistungen im Rahmen der «Wiener Energieunterstützung».