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Was sind die Stärken und was sind die Schwächen, fragt man sich, wenn man etwas verbessern will. Im besten Fall wird man dann die Schwächen korrigieren und die Stärken optimieren. Das gilt auch für den Sozialstaat.Dort, wo soziale Probleme steigen, müssen wir gegensteuern, dort, wo soziale Probleme präventiv verhindert werden, müssen wir weiter investieren. Jetzt passiert das Gegenteil: Die Stärken werden geschwächt und die Schwächen verstärkt.
Das ist eine Serie. Eine Fortsetzungskolumne in drei Teilen. In dieser ersten geht es um die Stärken des österreichischen Sozialstaatmodells:
– Die Sozialleistungen wirken als «automatische» Stabilisatoren: Während Industrieproduktion, Exporte und Investitionen in Folge der Finanzkrise stark gesunken sind, ist einzig der Konsum der privaten Haushalte stabil geblieben oder sogar gestiegen.
– Ein stabiles Sozialsystem befördert stabile Erwartungen: Der Sozialstaat bedeutet eine Risikoabsicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter. Die Verlässlichkeit der sozialen Institutionen verhindert Angstsparen.
– Länder mit hohen Sozialstandards «performen» besser: Sämtliche wirtschaftlichen Indikatoren (Beschäftigung – insbesondere Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum, Armutsgefährdung, Staatsfinanzen) zeigen, dass die skandinavischen und kontinentaleuropäischen Länder die besten Ergebnisse haben.
– Die meisten wohlfahrtsstaatlichen Leistungen stellen eine Umverteilung im Lebenszyklus dar. Wir befinden uns im Laufe unseres Lebens auf verschiedenen Einkommensstufen. Die meisten wandern im Laufe des Lebens die Einkommensleiter hinauf und im Alter wieder eine gewisse Strecke zurück. Der kontinentaleuropäische Sozialstaat, zu dem Österreich gehört, legt hohes Gewicht auf Versicherungsleistungen und Statuserhalt; daher profitiert die Mitte stark von den sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Leistungen.
– Sozialstaatliche Leistungen tragen entscheidend zum sozialen Ausgleich bei und wirken armutspräventiv. Sie reduzieren die Armutsgefährdung von 40 auf zwölf Prozent. Am progressivsten wirken die klassischen Sozialausgaben wie Arbeitslosengeld, Notstands- und Sozialhilfe sowie Wohnbeihilfe. Staatliche Umverteilung erfolgt in Österreich fast ausschließlich über die Ausgabenseite: Ins erste Drittel fließen 44 Prozent aller Sozial- und Wohlfahrtsausgaben und belaufen sich dort auf 84 Prozent der Markteinkommen. Auch ohne Berücksichtigung der Haushaltsgröße fließen fast 90 Prozent der Arbeitslosenversicherung, der Notstands- und der Sozialhilfe sowie der Wohnbeihilfen ins untere Drittel beziehungsweise bei den Hinterbliebenenpensionen in die unteren zwei Drittel. Deutlich weniger umverteilend wirken die übrigen wohlfahrtsstaatlichen Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Familienförderung, die im Wesentlichen nach der Zahl der kranken Personen bzw. der Kinder, der Schüler_innen und Student_innen verteilt werden. Aber auch sie wirken progressiv: Ihre Bedeutung in Relation zum Einkommen nimmt in den höheren Einkommensschichten ab.