Stärken und Schwächen des Sozialstaats IIItun & lassen

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Was sind die Stärken und was sind die Schwächen, fragt man sich, wenn man etwas verbessern will. Im besten Fall wird man dann die Schwächen korrigieren und die Stärken optimieren. Das gilt auch für den Sozialstaat.

Neben dem (1) Festhalten am männlichen Ernährerhaushalt und der (2) Fixierung auf die klassische Erwerbsarbeit schafft die (3) jahrelange Konzentration auf die Herkunft («Gastarbeiterpolitik») soziale Ausgrenzung und mangelnde Aufstiegschancen von Migrant_innen.Lange wurde am Gastarbeitermodell und seiner Vorstellung temporärer Arbeitskräfte festgehalten. Maßnahmen zu Integration und Inklusion haben relativ spät in den 90er Jahren eingesetzt. Drittstaatenangehörige müssten ihrer Ausbildung entsprechend eigentlich um dreißig, Eingebürgerte um zwanzig Prozent mehr verdienen. Ein (4) sozial selektierendes Bildungssystem mit Tendenz zu homogenen Gruppen blockiert sozialen Aufstieg. Trotz der im europäischen Vergleich geringen Kinderarmut schneidet Österreich in der sozialen Mobilität «nach oben» nur durchschnittlich ab. Die soziale Herkunft entscheidet überaus stark den weiteren Lebensweg. Hohe Bildung und damit hohes Einkommen, hohe berufliche Position bedeuten im hiesigen Schulsystem um neunzig Punkte bessere Leistung als bei Kindern aus Elternhäusern mit weniger Bildung und Einkommen. In anderen Ländern beträgt dieser Abstand weniger als vierzig Punkte. (5) Zu geringe Investitionen in Dienstleistungen lassen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen allein. Nirgendwo im Sozialsystem gibt es so hohe Selbstbehalte, nirgendwo wird so rigoros auf das eigene Vermögen und das der Angehörigen zugegriffen, wie im Pflegefall. Wird im Krankenhaus noch auf hohem Niveau für uns gesorgt, sind wir, sobald wir als «austherapiert» gelten, auf uns allein gestellt oder werden im Alter zum Fall für die Sozialhilfe. Die sozialen Dienstleistungen wie Kinderbetreuung oder Pflege liegen in Österreich unter dem EU-Durchschnitt. Der (6) Paternalismus des Sozialstaats schafft mangelnde Transparenz und Mitbestimmung: Arbeitslose am Arbeitsamt, Patient_innen in Spitälern, Migrant_innen ohne Wahlrecht, Mitbestimmung in den Sozialversicherungen etc. Hier wirkt auch der Dschungel des föderalen Systems mit seinen neunmal unterschiedlichen Regelungen, die in vielen Fällen sachlich nicht begründbar sind. Und eine Verwaltungs- und Vollzugspraxis, die nicht den_die Bürger_in, sondern den_die Untertanen_in sieht. Vieles atmet da den obrigkeitsstaatlichen Wohlfahrtsstaat; «Vater Staat», der seinen minderjährigen Kindern (milde) Gaben zuteilt.

Im Sozialstaat «bismarkscher» kontinentaler Prägung wie in Österreich fehlen echte Mindestsicherungselemente sowie universelle Leistungen, und es mangelt an Bildungschancen unabhängig sozialer Herkunft, eigenständiger Existenzsicherung für Frauen und einer Demokratisierung des Wohlfahrtsmodells mit stärkeren partizipativen Elementen. Die neuen sozialen Risken liegen quer zu den klassischen Risken sozialstaatlicher Sicherungssysteme: neue Selbständige, prekäre Beschäftigung, Lebensrisiko Pflege, Behinderungen und Migration. Neue soziale Herausforderungen brauchen eben auch neue soziale Antworten. Was aber jetzt in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise passiert, ist etwas anderes: Dort, wo die armutspräventive Wirkung des Sozialsystems ausgewiesen ist, wird gekürzt, und dort, wo Fehlentwicklungen und Armutsfallen im Sozialstaat auftreten, herrscht Reformverweigerung. Die Schwächen werden verstärkt, die Stärken geschwächt.

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