Standortnationalismustun & lassen

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Wenn sich Nationalstaaten auf Steuerdumping einlassen, verlieren alle. Salzburg wirbt Bayern einen Konzern ab, darauf senkt Bayern die Steuern und Bayern wirbt wieder Salzburg einen Konzern ab, worauf die Slowakei noch weiter runterfährt, um den nächsten abzuwerben.

Die Körperschaftssteuer, eine Steuer auf Gewinne von Aktiengesellschaften und GmbHs, ist EU-weit zwischen 1985 und 2001 von 51% auf 33% gefallen. Der österreichische Finanzminister senkte jene heuer sogar nominell von 34% auf 25%. Effektiv wird noch weniger gezahlt, weil allerlei Steueroasen und Schlupflöcher den großen Konzernen zur Verfügung stehen. Das ist nicht nur gegenüber der Allgemeinheit unfair, sondern auch gegenüber Klein- und Mittelbetrieben, die diese Gestaltungsmöglichkeiten nicht haben.

Der neue Standortnationalismus wie der Politikwissenschafter Christoph Butterwegge diese Ideologie nennt, ist ein auf die Weltökonomie angewandter Sozialdarwinismus, der unter Berufung auf nationale Tugenden, die Überlegenheit der eigenen Industrienation gegenüber anderen Volkswirtschaften betont. Er ist die modernisierte Variante des alten Abwehrnationalismus. Einer der Bestandteile des Standortnationalismus ist der Steuerwettbewerb und die Verwechslung einer offenen Volkswirtschaft mit einer betriebswirtschaftlichen Firma. Am Schluss verlieren alle.

Kein Wunder, dass viele BürgerInnen über das Steuerzahlen stöhnen, wird der Steuerdruck immer mehr auf die Lohnsteuer und die Verbrauchsteuern geladen, während sich Gewinne und Vermögen aus dem sozialen Ausgleich verabschieden. Die Besteuerung des Faktors Arbeit ist in Österreich überdurchschnittlich hoch, während das Aufkommen aus Körperschaftssteuer und vermögensbezogener Steuern unter dem EU-15 Durschschnitt liegt.

Hätten wir keine Sozialleistungen, wären dreimal mehr Menschen in Österreich von Armut bedroht. Die sozialen Sicherungssysteme reduzieren die Armutsgefährdung von 40% auf 13%. Armutsvermeidung ist einiges wert. Das wäre Stoff für eine andere Wertedebatte.

Denn gerade jene Länder, die über ein hohes Maß an sozialer Sicherung verfügen, haben geringe Armutsraten und ein höheres Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Ökonomisch erfolgreiche Länder in Europa liegen mit ihrer Sozialquote über dem EU-Durchschnitt.

Mit sinkendem Steueraufkommen hingegen kann man soziale Investitionen nicht finanzieren. Je mehr die Abgabenquote gesenkt wird, desto weniger sind Kindergärten, Schulen, Krankenkäuser, Pensionen, soziale Sicherheit, öffentliche Verkehrsmittel in guter Qualität für alle leistbar. Leute mit kleinen Einkommen können sich keine private Pensionsversicherung leisten, außer sie zahlen nicht mehr die Miete oder die Heizkosten. Wer geringes Einkommen hat, ist stärker auf die öffentliche Infrastruktur angewiesen bei Kinderbetreuung, öffentlichen Verkehr, Schule oder sozialen Wohnbau. Einer Frau im Niedriglohnsektor nützt ihr ohnehin geringes Einkommen von 700 Euro gar nichts, wenn gleichzeitig die Miete massiv ansteigt, es keine Kinderbetreuung gibt, beim Arzt immer gezahlt werden muss, Gebühren steigen, die U-Bahn keinen Sozialtarif kennt, die Schule keine kostenlose Nachmittagsförderung für ihr Kind anbietet, die Pensionsversicherung privat gezahlt werden soll.

Die Senkung der Abgabenquote ist keine Entlastung für alle. Was haben Ärmere davon, wenn gleichzeitig ihre persönliche Abgabenquote für Selbstbehalte, Verbrauchssteuern, Privatpension rasant anwächst?

Martin Schenk

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