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Etwa acht Prozent der weltweiten Privatvermögen, das sind 8000 Milliarden Euro, liegen in Steueroasen mit dem hauptsächlichen Motiv der Steuerhinterziehung. Nach der Finanzkrise gab es viele Versprechungen und einige Maßnahmen – aber sie waren alle unzureichend.
Den Sozialstaaten entgehen laut einer Schätzung des Ökonomen Gabriel Zucman dadurch jährlich 130 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. 80 Prozent der Offshore-Vermögen weltweit werden steuerlich nicht deklariert. 12 Prozent der europäischen Privatvermögen werden in Steueroasen verwaltet, davon die Hälfte in der Schweiz. Diese Anteile sind in den letzten Jahren trotz einschlägiger internationaler Deklarationen und Bemühungen weiter angestiegen.
Die großen Orte der Steuerhinterziehung liegen in der Schweiz, Luxemburg, Hongkong, Singapur, auf den Kaimaninseln und den Bahamas. Luxemburg beispielsweise hat ab den Siebzigerjahren seine eigene Souveränität zu vermarkten begonnen. Das kleine Großherzogtum verkaufte multinationalen Konzernen der ganzen Welt das Recht, selbst über ihre Steuersätze, gesetzlichen Auflagen und rechtlichen Verpflichtungen zu bestimmen. Gleichzeitig verfügt Luxemburg als souveräner Staat über weitreichende Blockademöglichkeiten in den Gremien der EU: Vetorecht bei Fragen des Steuerwesens, Einstimmigkeit im Europäischen Rat. Da stellen sich Fragen der Demokratie: Ist Luxemburg noch ein Staat, oder eine Plattform der Finanzindustrie? Und es stellen sich Fragen der Finanzstabilität: Ist sein Wirtschaftsmodell, das auf einem aufgeblähten Finanzsektor basiert, gefährlich für die anderen EU-Staaten? Wenn man verhindern möchte, dass sich die irische und die zypriotische Katastrophe wiederholt, ist eine Kehrtwende in Luxemburg dringend geboten. Zucman plädiert für eine umfassende und vollständige Kooperation mit den anderen Ländern, um Steuerhinterziehung und Buchungstricks ein Ende zu setzen. Als letzte Konsequenz sieht er den Ausschluss Luxemburgs aus der EU.
Zentral, so Zucman, sei ein weltweites Finanzkataster, das zeigt, wem die zirkulierenden Wertpapiere gehören. Das entspricht dem Grundprinzip im Kampf gegen Geldwäsche und gegen die Finanzierung von Terrorismus. Datenbasis dafür sind die bereits bestehenden Register wie DTC (für amerikanische Wertpapiere), Euroclear Belgien oder Clearstream (für staatenlose Wertpapiere). Der Internationale Währungsfonds soll das Kataster verwalten. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Banken ihre Meldepflichten erfüllen und damit die Steuerhinterziehung der Ultrareichen beenden. Steueroasen sind Privilegiensümpfe.
Diese Sümpfe trockenzulegen ist ein klassischer Akt der Aufklärung. Es ist zentraler Bestandteil jeder Freiheitsbewegung. Die Französische Revolution schuf 1789 einen eigenen Kataster, um den gesamten Immobilienbesitz zu erfassen, seinen Wert zu ermitteln und die Privilegien abzuschaffen, die das feudale System am Leben erhalten hatten. Wer von Freiheit spricht, kann zu Steueroasen nicht schweigen.