Steuerzahler_innen haften für Wettschuldentun & lassen

Causa SWAP Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien versus St. Pölten

Der Augustin berichtete bereits über den Rechtsstreit zwischen St. Pölten und der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien: Ein von der Stadt mit Raiffeisen abgeschlossenes SWAP-Geschäft verlief zu Ungunsten der Kommune, sprich zu Lasten der Steuerzahler_innen. Jetzt klagte die RLB NÖ-Wien St. Pölten und damit die Steuerzahler_innen in einem zusätzlichen Rechtsgang auf Zahlung von rund 67 Millionen Euro.Bevor die näheren Umstände dieser Causa betrachtet werden, scheinen die Antworten auf zwei Fragen interessant: Wie können sich die Verwalter_innen der Steuergelder einer Gemeinde auf ein Spekulationsgeschäft einlassen, das im worst case fast ein Drittel des Ordentlichen Haushaltes kosten kann? (Budget St. Pölten 2015 rund 165 Mio Euro). Und zweitens, wie kann eine Bank einen öffentlichen Haushalt, hier das Budget der Stadtgemeinde, mit einem derartigen Risiko konfrontieren? Beide konnten.

Der guten Ordnung halber: Raiffeisen ist nicht die einzige Bank in Österreich, die derartige Geschäfte Gemeinden angeboten und realisiert hat und die Gemeindevertreter_innen St. Pöltens sind nicht die einzigen Politiker_innen, die auf derartige Geschäfte eingestiegen sind. Die ähnlich gelagerte Causa Stadtgemeinde Linz versus BAWAG/PSK ist noch gut in Erinnerung der Steuerzahler_innen.

Spielcasino mit variablem Zinssatz

Mit dem Begriff SWAP wird eine Zinswette betreffend einen Zinstausch zwischen zwei Kreditnehmer_innen beschrieben. Hier ein verkürztes Beispiel in Ziffern: Herr Muster zahlt derzeit 5% Zinsen für seinen 10.000 Euro-Kredit, d.h. pro Jahr 500 Euro. Der Zinssatz wird mit der Bank als variabel vereinbart, kann also steigen oder fallen. Frau Maier zahlt 4% fix vereinbarte Zinsen für ihren 10.000 Euro-Kredit, also 400 Euro pro Jahr. Jetzt vereinbaren die beiden: Muster zahlt die Zinsen der Maier und verlangt dafür heute 380 Euro, muss also 20 Euro drauflegen, um die 400 Euro Zinsen der Maier zu zahlen. Diese jährlichen Zahlungen werden als variabel vereinbart.

Muster hofft, dass das Zinsniveau steigt und er nächstes Jahr von Maier 420 Euro bekommt, mit denen er dann die 400 Euro Zinsen des Maier-Kredits zahlen kann und ihm 20 Euro übrig bleiben, um seine eigene Zinsenschuld lindern. Maier hofft das Gegenteil, sie erwartet, dass die Zinsen fallen und sie künftig dem Muster weniger als die 400 Euro zahlen muss, die sie der Bank als Zinsen zahlen müsste. Spielcasino pur. Es müssen jedoch nicht nur die Chips bezahlt werden, sondern auch jede Menge Gebühren an die Bank, die das Game veranstaltet.

Geht ein Politiker mit seinem Privatgeld ins Wettbüro und verliert dort (vermutlich häufiger) oder gewinnt (vermutlich seltener) so ist das für ihn bedauerlich, lässt aber Rückschlüsse auf das Verhalten im Umgang mit Geld zu. Es kommt auch niemals vor, dass Politiker_innen in Wahlkämpfen das Abschließen von Wetten als Hobby angeben. Als zu unseriös würde die Aura des Kandidaten oder der Kandidatin gelten. Im Amt ist dann offensichtlich alles anders.

Menschelnde Enttäuschung

St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler darf jetzt im raiffeiseneigenen «Kurier» sagen: «Ich bin menschlich enttäuscht!» Enttäuscht sei er deshalb, weil die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien die langjährige Hausbank der Stadtgemeinde sei und er sich eine andere Kommunikation erwartet habe.

Als vor kurzem ein Spieler in Monte Carlo nach einem fetten Verlust am Roulettetisch dem Croupier trotzig «Ich bin menschlich enttäuscht» zuraunte, hatte dies, wie von den anderen Spielteilnehmer_innen erwartet, den Croupier in keiner Weise erschüttert.

Aktueller Klagsgrund der RLB NÖ-Wien war der Umstand, dass von St. Pölten fällige Quartalszahlungen nicht geleistet wurden. St. Pölten stellte die Quartalszahlungen ein, da Raiffeisen vorgeworfen wurde, das dem Rechtsstreit zugrunde liegende SWAP-Geschäft aus dem Jahr 2007 seinerzeit nicht richtig erklärt und Risken verschwiegen zu haben. Raiffeisen sieht dies anders und beharrt darauf, korrekt gehandelt zu haben.

Hier ist ein kleines Gedankenexperiment angebracht: Nehmen wir an, Raiffeisen oder irgendeine andere Bank hat den Deal korrekt bis ins kleinste Detail erklärt und die Gegenseite hat bestätigt, den Deal verstanden zu haben und über allfällige Risken im Klaren zu sein. Frage: Gibt es eine Situation, die es günstig und erstrebenswert erscheinen lässt, dass Banken wie etwa die RLB Wien-NÖ, steuergeldfinanzierte Gemeinden in Lagen bringen können, wie die derzeitige St. Pöltens? Ja, die des Strebens nach Profit – auch auf Kosten der Steuerzahler_innen einer Gemeinde.

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