Stimmen für das Unerhörtetun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Eing'Schenkt (25. September 2024)

Die Lage am Wohnungsmarkt ist nach wie vor äußerst schwierig. Vor allem für Junge, Familien, Alleinerzieher­innen und Leute mit kleinen Einkommen werden Mieten immer unerschwinglicher. Im Gesundheitssystem sind wir mit langen Wartezeiten und fehlenden Therapieplätzen konfrontiert. Wenn es um die Fragen geht, die den Menschen in Österreich am wichtigsten sind, dann ist leistbares Wohnen und Zugang zu ­einem guten Gesundheitssystem in Umfragen immer unter den Top-fünf-Themen – aber nicht in der öffentlichen Diskussion, Berichterstattung oder im Wahlkampf. Das ist eine Schieflage. Und ich glaube, keine zufällige. Das ist unerhört.
Bleiben wir bei der Gesundheit. Gesunde Lebenswelten machen und halten gesund. Das bestätigt die Forschung und das erfahren wir alle im Alltag. Gesundheit darf nicht von unseren Finanzen oder Einkommen abhängen. Um die Lücken in der therapeutischen Versorgung zu schließen, müssen die kassenfinanzierten Therapieplätze massiv ausgebaut werden. Es gibt zu wenig psychosoziale Behandlungsplätze. Die Versorgungslücke liegt bei der Leistbarkeit, aber auch bei den langen Wartezeiten und der Mangelversorgung in ländlichen Regionen. Entscheidend für eine bessere Gesundheitsversorgung sind der Ausbau und die Weiterentwicklung von Primärversorgungszentren. Im multiprofessionellen Team dürfen Peers und Betroffene nicht fehlen. Das sind Menschen, die wissen, was Krankheit heißt, die selber Expert:innen ihres Lebens sind und aus der eigenen Erfahrung, z. B. als Genesungsbegleiter:innen, mithelfen können. Dafür solle es österreichweit eine für die Betroffenen kostenlose Ausbildung geben und Peers sollen einen selbstverständlichen Platz in der Gesundheitsversorgung bekommen.
Um Soziales und Gesundheit besser zu integrieren, wäre der Ausbau von «Social Prescribing» in der Primärversorgung und an ande­ren Stellen des Gesundheitssystems sinnvoll. Mediziner:innen können ein «soziales Rezept» verschreiben, das über eine:n «Link Worker» gesundheitsrelevante Fragen wie Einsamkeit, schimmlige Wohnung oder Überschuldung behandelt. Für eine bessere Barrierefreiheit braucht es eine leicht verständliche Sprache im Patient:innengespräch bei ­Diagnose und Therapie. Es ist im System Sorge zu tragen, dass mehr Zeit dafür zur Verfügung steht. Besonders die Situation der Begutachtungen wird von vielen als beschämend und respektlos beschrieben. Kinder ohne Krankenversicherung können über ihren Schul- bzw. Kindergartenbesuch einbezogen werden. Die Anbindung der Pflichtversicherung an den Kindergarten- bzw. Schulbesuch bietet sich als gute Lösung an, weil sie einerseits eine sehr große ­Gruppe von Kindern erfasst und andererseits auch auf den dauernden Aufenthalt abstellt. Zur Vermeidung ungesunder Lebenswelten würde ich die Einführung einer Gesundheitsverträglichkeitsprüfung vorschlagen. Gesetze, Maßnahmen und Verordnungen sollen auf ihre Folgen überprüft werden, besonders in ihren Auswirkungen auf Menschen mit wenig Einkommen und sozialer Benachteiligung.
Das wären einige wichtige Ideen zum Thema Gesundheit. Haben Sie viel davon gehört? Wo bleiben diese Stimmen und diese Anliegen? Wir müssen sie wohl selbst ins Licht rücken; die Stimmen verstärken, die leise gemacht werden. Unerhört: all die Stimmen für eine gute Gesundheitsversorgung und für leistbares Wohnen.

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