Streben nach der WeltrevolutionDichter Innenteil

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (103)

Ein langes Wochenende Anfang Mai freut den Hüseyin. Dieses Mal ist er nicht beim Maiaufmarsch. Früher ist er immer mitmarschiert.

Illustration: Carla Müller

Als er 1981 in Wien ankam, hat er andere junge Türk_innen/Kurd_innen von einem Verein im WUK kennengelernt. An den Wochenenden war er immer dort. Seine Freizeit hat er in diesem Verein verbracht. Es gab auch politische Bildung. Es waren Arbeiter_innen, aber auch Student_innen. Viele waren auch politische Flüchtlinge aus der Türkei nach dem Militärputsch 1980. Für die arbeitenden Menschen waren diese Treffen an diesen Samstagen und Sonntagen eher eine Möglichkeit, die eigene Sehnsucht nach der Heimat in Wien zu stillen. Obwohl sie Revolutionäre und Revolutionärinnen waren, gab es zwischen den Frauen und Männern nicht so viel Kommunikation. Es war der Treffpunkt der türkischen Linken. Unter den türkischen Linken waren genauso viele Kurd_innen wie Türk_innen. Damals strebte man nach der Weltrevolution. Die für die Weltrevolution gebildeten Flüchtlinge aus der Türkei organisierten auch immer wieder Seminare. Sie behandelten die politischen Theorien. Vom Marx, Lenin u. s. w. Hüseyin und die anderen hörten brav zu, aber verstehen taten sie nicht. Und wenn jemand an so einem schönen Samstag oder Sonntag zu einem Seminar im Verein nicht erschien, machte man ihm (meistens ihm) Vorwürfe. Hüseyin meinte, wenn er zumindest nach diesen Seminaren eine Bestätigung bekäme! Die gegenseitige Kontrolle unter den Genoss_innen war sehr stark. Viele verstanden nicht, was da vorgetragen wurde. Viele Kinder der Besucher waren auch mit. Da man von Wien aus die Weltrevolution vorantreiben wollte, waren die Wünsche der Kinder in dieser Epoche nicht vorrangig. Den Kindern war es langweilig. Sie zeigten ihre Unzufriedenheit, indem sie die Erwachsenen nervten. Junge Türkinnen waren auch da. Unter den jungen Leuten funkte es auch. Die Sexualität konnten sie dort nicht ausleben. Es waren zwar Anatolier, die in Wien Revolutionäre sein wollten, aber sie waren in ihren dörflichen/religiösen Verhaltensmustern sehr stark verhaftet. Obwohl Hüseyin in der Woche über vierzig Stunden im Straßenbau arbeitete, wollte er auch unter den Österreichern sein. Im Verein gab es nur noch Türken und Kurden. «Ich hätte daheim bleiben können», meint Hüseyin. In den Achtzigern konnte dieser Verein mehrere Tausend Menschen aus ihren Reihen zum Marschieren bewegen. Einige junge Leute, die bei diesem Verein waren, haben dann ihre Lebensmenschen gefunden und geheiratet. Hüseyin war zwar an den Wochenenden im WUK, aber er musizierte dort. Es gab einen großen Raum neben dem Verein, den Hüseyin als Proberaum für Schalmei- und Davul-Spielen benützte. Hüseyin zog sich eine Lederjacke an und bekam die Bezeichnung Hippie Hüseyin. Es störte ihn nicht. Mehr Zeit verbrachte er im WUK mit den anderen Hippies. Die den Verein führten, bekamen mehr Zuckerl, also bessere Posten, und verließen den Verein. Nachdem die Führenden den Verein verließen, kamen immer weniger Leute. Nach einigen Jahren wollte Hüseyin auch nicht mehr die Freizeit dort verbringen.

Vor kurzem hat Herr Hüseyin im Garten seines türkischen Freunds im Burgendland das erste Mal Wasser- und Zuckermelonen angepflanzt. Er wünscht sich auch in Österreich seine selbst angebauten Melonen. Die Erderwärmung bringt die exotischen Früchte immer näher.

Einen schönen Frühling und Frieden wünscht Herr Hüseyin!

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