Studieren im Raiffeisen-Hörsaaltun & lassen

Kritisieren verlernen leicht gemacht, oder:

Die mangelnde finanzielle Ausstattung der österreichischen Hochschulen und Universitäten führt zur zunehmenden Privatisierung von Forschung und Lehre. Wie auch Raiffeisen ihr Scherflein zur universitären Bildung beiträgt, hat Martin Birkner studiert.Über die Indoktrinierung der Schulkinder wurde an dieser Stelle bereits anlässlich des Weltspartages berichtet. Diesmal soll das «andere Ende» der Bildungsleiter in den Blick genommen werden: die Universitäten. Auch dort scheint heutzutage ohne Giebelkreuz nichts mehr zu gehen. Wunder ist das freilich keines, zumal die öffentliche Finanzierung der Unis nicht mehr gewährleistet ist und Institute ganz marktwirtschaftlich um Rankingplatzierungen konkurrieren. Dass dabei die Produktion kritischen Wissens zunehmend ins Hintertreffen gerät, ist durchaus gewollt, dass unter der unscheinbaren Bezeichnung «Drittmittelfinanzierung» der Kapitalisierung der Wissenschaft Tür und Tor geöffnet wird, ebenso. Die «unibrennt»-Bewegung vor einigen Jahren hat diese Tendenz massiv kritisiert, geändert hat sich freilich wenig bis gar nichts.

Laut einer vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung in Auftrag gegebenen Studie waren im Wintersemester 2011 47,6 % (!) des wissenschaftlichen Personals der Universität für Bodenkultur (BOKU) durch Drittmittel finanziert. Es gibt Grund zur Annahme, dass der Anteil von Raiffeisen daran so wenig nicht sein wird. Der Konzern ist nämlich in den unterschiedlichsten Ebenen des Universitätsbetriebs sichtbar präsent. Es beginnt beim offiziellen Ausweis für Studierende: Dieser ist knallgelb und sieht wohl nicht zufällig genau so aus wie eine Raiffeisen-Kontokarte. Ein Wink mit dem Zaunpfahl also – der sich übrigens auch auf den Ausweisen der Universitäten Klagenfurt und Innsbruck wiederfindet. Aber damit nicht genug. In mehreren österreichischen Universitäten gibt es gar «Raiffeisen-Hörsäle» (z. B. an den Unis Linz und Leoben sowie dem «exzellenten» Institute of Science and Technology in Maria Gugging). Es ist anzunehmen, dass wissenschaftlich fundierte Kritik an den Machenschaften der Giebelkreuzler_innen dort nicht ganz so gern gesehen ist …

Science and Innovation? Hauptsache Business!

Die BOKU, alleine aufgrund ihrer Ausrichtung ganz besonders im Giebel-Fadenkreuz, kann überhaupt als Paradebeispiel unverfroren direkter Raiffeisen-Interventionen gelten: Da werden Bewerbungstrainings veranstaltet, die hauseigenen landwirtschaftlichen Versuchsinstitutionen kooperieren mit – richtig erraten!, und ein toller Wissenschaftspreis wird auch vergeben, der «Raiffeisen Science and Innovation Award». Und wer glaubt, dass, wenn Genossenschafter_innen auf Studierende zum Kennenlernen und Meinungsaustausch zusammenkommen, Alternativen zur nichtfunktionierenden kapitalistischen Marktwirtschaft auf der Tagesordnung stehen, ist auf dem Holzweg. Na gut, das mit den Genossenschaften habe ich – wohl zu Unrecht – aus der Zusammensetzung des Podiums beim Event «Science meets Business» geschlossen: Seitens des «Business» waren Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien, Agrana und Raiffeisen Ware Austria vertreten. Bei einer derartigen Diversität ökonomischer «Player» fehlen selbst dem/der geübten Kritiker_in die Worte. Warum dies alles aber ausgerechnet unter dem Deckmantel der öffentlichen Institution namens Universität abgehalten werden muss, ist einfach zu erklären: Weil ohne sogenannte «Drittmittel» der universitäre Forschungsbetrieb auf der Stelle zum Erliegen kommen würde. Wen wundert es da noch, wenn zahlungskräftige Unternehmen schon in den Startlöchern scharren? Wäre Raiffeisen als größtes österreichisches Agrar-Unternehmen nicht blöd, sich so eine Chance entgehen zu lassen?

Stimme der Universitäten & offene Tür

Auch andere Hochschulen werden von Raiffeisen tatkräftig «unterstützt». An der Veterinärmedizinischen Universität wird heuer der Tag der offenen Tür finanziert, und auch der Rektor der Universität Wien, Heinz W. Engl, freut sich ganz ungeniert über die Abhängigkeit öffentlicher Bildungseinrichtungen von privaten Geldgeber_innen. Im Zentralorgan Raiffeisenzeitung lässt er verlautbaren: «Wir freuen uns, dass wir im Jubiläumsjahr hochkarätige Wirtschaftsunternehmen, unter ihnen die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien mit Erwin Hameseder an der Spitze, für unser High Level Advisory Board gewinnen konnten.» Zu schlechter Letzt soll auch noch die Österreichische Universitätenkonferenz erwähnt werden. Der Verein «dient der internen Koordination der 21 staatlichen österreichischen Universitäten, vertritt diese in nationalen wie internationalen Gremien und ist die Stimme der Universitäten in der Öffentlichkeit». Wer ist laut Homepage der einzige Förderer dieser Institution? Raiffeisen. Und wer sitzt im Förderverein? Unter anderem Walter Rothensteiner, Generaldirektor der RZB. Und wie heißt es so schön im Staatsgrundgesetz von 1867? «Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.»

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