Abhängigkeiten sind nichts Schlechtes. Mein Leben hängt davon ab, dass ich regelmäßig ein- und ausatme. Wenn ich leben will, muss ich weiteratmen. Das eine hängt vom anderen ab. Wenn ich eine Zigarette rauche, ist das nicht anders. Mein Leben und diese Zigarette hängen voneinander ab. Eine Zigarette sind fünf Minuten meines Lebens. Sie ist ein Stück der verrinnenden Zeit in meiner Hand, und sie macht mir das Ein- und Ausatmen erst so richtig bewusst. Die Zigarette hilft mir, die innere Ruhe wiederzufinden. Darauf will ich nicht verzichten, nicht heute und nicht morgen.Ich lese und höre immer wieder, dass das Rauchen die Lebenserwartung vermindert. Aber ist das ein Argument gegen das Rauchen? Ich lebe jetzt und nicht in zwanzig Jahren. Ich genieße den Augenblick. Ich gönne mir eine Pause. Ich gewinne Abstand und sammle Kraft für einen Neubeginn. Eine Zigarette ist eine Belohnung, der Verzicht wäre Bestrafung. Warum soll ich also verzichten? Ich will mein Leben doch genießen, egal wie lange es dauert.
Von den militanten Nichtrauchern lasse ich mich nicht verunsichern. Dazu bin ich viel zu stark. Was ich einmal als richtig erkannt habe, das ziehe ich konsequent durch. Nur so kommt man zu Erfolgen. Und was wäre ein Leben ohne Erfolge? Ich rauche eine Packung täglich. Früher waren es zwei, aber mein Arzt hat mich dazu überredet, das Quantum auf die Hälfte zu reduzieren. Jetzt sind alle zufrieden. Ich könnte aufhören, wenn ich wirklich wollte, aber ich will nicht. Ich will rauchen. Es gehört zum Leben einfach dazu.
Ich glaube nicht, dass ich süchtig bin. Und selbst wenn ich es wäre, wo liegt das Problem? Ja, ich weiß, es gibt tausend gute Gründe dafür, mit dem Rauchen aufzuhören, aber das kratzt mich nicht wirklich. Es geht schließlich um den Genuss einer Zigarette. Und wer garantiert mir, dass meine Kopfschmerzen verschwinden, wenn ich mit dem Rauchen aufhöre? Na eben. Da riskiere ich lieber nichts. Am Ende kommen meine Kopfschmerzen von etwas ganz anderem. Ich will mir ein Leben ohne Zigaretten einfach nicht vorstellen. Wie soll das gehen?
Tja, wenn ich eines Tages eine Frau kennen lernen sollte, die mir wirklich wichtig ist und für die ich alles liegen und stehen lassen würde, wenn die Beziehung zu dieser Frau davon abhängen sollte, ob ich mit dem Rauchen aufhöre oder nicht, dann, ja dann … würde ich wohl einen ernsthaften Versuch unternehmen, mit dem Rauchen aufzuhören. Aber eine solche Frau ist nicht in Sicht. Also besteht auch kein Grund, mich mit diesem Thema näher zu befassen.
Was mich ein wenig wurmt, ist die Tatsache, dass es anderen auch ohne Zigaretten gut zu gehen scheint. Da frage ich mich schon manchmal: Warum gerade ich? Hat man mir in frühester Kindheit etwas Wichtiges vorenthalten? Muss ich das heute mit dem Nikotin ersetzen? Ich weiß es nicht. Und selbst wenn ich es wüsste, was würde mir das nützen? Das, was ich als Kind nicht bekommen habe, kann ich nicht heute bekommen, indem ich mit dem Rauchen aufhöre. Also was soll die Fragerei? Was gewesen ist, ist gewesen. Ich bin halt ein Raucher geworden. Niemand kann aus seiner Haut heraus.
Es gibt allerdings auch Raucher, die es schaffen, mit ihrer Sucht Schluss zu machen. Da gehört bestimmt ein hohes Maß an Selbstmotivation dazu, um nicht zu sagen: Selbstdisziplin. Die meisten von denen schaffen es überhaupt nur dadurch, dass sie sich irgendwelchen Selbsthilfegruppen anschließen. Das klingt schwierig und anstrengend. Ob ich dazu in der Lage wäre? Einfacher ist sicher das Weiterrauchen.
Gott sei Dank bin ich nicht der einzige. Zigaretten sind noch immer gut im Geschäft. Der Finanzminister freut sich darüber. Obwohl ich unseren Finanzminister eigentlich nicht mag. Wenn ich dann daran denke, dass schon Kinder mit dem Rauchen anfangen, krieg ich eine Wut. Dann muss ich mir gleich eine anzünden. Die letzte wird das wohl nicht gewesen sein. Da fällt mir ein: Angenommen, ich würde nicht rauchen und lange leben, was sollte ich mit diesem Leben überhaupt anfangen?