Tanz den Seethalertun & lassen

Beobachtet in der Karlsplatz-Passage:

Wenn der 13. Tag des Monats auf einen Freitag fällt, werden Menschen aktiv, die unter dem Kürzel F13 und im Zeichen der schwarzen Katze für Irritationen sorgen. Das F13-Projekt, u.a. von der Straßenzeitung Augustin initiiert, kämpft für eine menschlichere Stadt: Der öffentliche Raum muss auf für jene benutzbar bleiben, die nicht konsumieren wollen oder können; und die freien, unreglementierten Äußerungen der Graswurzelkultur, der von den Rändern oder von unten her kommenden, jedenfalls von niemandem beauftragten Kunst, müssen zu selbstverständlichen Situationen in den Passagen und auf den Plätzen werden.

Foto: Michael Bigus

Freitag, 13. März 2015. Helmut Seethaler, der seit mehr als vier Jahrzehnten die Stadt mit seinen «Gedichten zum Pflücken» nervt oder erfreut, genießt den Nachmittag aus einem doppelten Grund. Erstens, weil er die seltene Gelegenheit hat, als «Unbeteiligter» zuzuschauen, wie andere s e i n Werk verrichten, nämlich auf stark frequentierten Plätzen Klebebandgalerien einzurichten, in der eine Auswahl vor allem seiner konsumkritischen Kurzgedichte auf erntende Poesieliebhaber wartet. Zweitens, weil er Augenzeuge einer ihn völlig überraschenden Weiterentwicklung seiner Klebemethode wurde. Für diese Überraschung sorgte die Performancegruppe Slow Forward.

Die verwandelte den Gang von der Opernpassage zum Resselpark in den Schauplatz einer mobilen, sich durch die Passage schlängelnden Klebeband-Galerie. Seethaler, auch hier «unbeteiligter Zuschauer», war entzückt. Er sah eine neue Art, Literatur zu verbreiten, aber es geschah gleichzeitig auf eine ihn als Pionier der «Recht auf Stadt»-Bewegung würdigende Weise; nennen wir sie einfach «Langsamer Seethaler Tanz». «Früher wäre ich gekränkt gewesen, wenn einer etwas ähnliches macht wie ich», gab Seethaler zu. «Heute wünsche ich mir viele, viele Hersteller von Pflückgedichten in Wien». Auch wenn sie ins gemachte Bett hüpfen – ist es ihm als Einzelgänger in diesen vier Jahrzehnten doch gelungen, selbst von der Polizei als Künstler akzeptiert zu werden. Die Anzeigen und die Schikanen kämen eher von den Wiener Linien und der Firma Gewista.

Ganz so unbeteiligt war der legendäre Wiener «Zettelpoet» natürlich nicht. Er hatte in zuvor einem Workshop in den Räumlichkeiten des Augustin für die nötige Motivation der Teilnehmer_innen gesorgt, in seine Rolle zu schlüpfen.

Eine F13-Aktion gab es auch im 12. Bezirk. Am Vorplatz der Arcade Meidling an der Philadelphiabrücke wurde im Sommer 2014 ein Zaun errichtet, der nur einen Zweck hat: Er soll die bisherige Nutzung als Sitzplatz verunmöglichen. Dennn er wurde von vielen Obdachlosen verwendet. Das Obdachlosen-Tageszentrum JOSI hatte ein Ausweichquartier in der nahe gelegenen Koppreitergasse errichtet. Nach ein paar Wochen eigneten sich findige Jugendliche die Sitzplätze wieder an, indem sie sich durch die Barriere schlängelten. Also wurde das Vertreibungsprojekt mit Werbetafeln erweitert. F13-Aktivist_innen be(k)lebten den Zaun mit Protest-Kartons.