Demnächst auf der Bühne: «Kurze Interviews mit freakigen Frauen»
Im Ernst-Kirchweger-Haus wird Theater gespielt. An zwei Abenden setzen Katherin Bryla, Nicole Szolga und Eva Grün die Geschichten gar nicht so freakiger Frauen zwischen Sex, Gewalt, Ökonomie und Solidarität in Szene. Christine Ehardt hat die Regisseurin Katherin Bryla zu einem «kurzen Interview» getroffen.Wer die Antwort kennt, braucht die Frage gar nicht erst zu stellen. Nach diesem Motto verfährt der US-amerikanische Autor David Foster Wallace in seinem 1999 erschienenen Erzählband «Kurze Interviews mit fiesen Männern», in dem er 18 fiktive Gespräche von Männern über Sex, Lügen und Beziehungen protokolliert. Katherin Bryla hat Idee und Konzept für ihr Theaterstück adaptiert und lässt nun Frauen Geheimnisse ausplaudern.
«…oder ist Ihnen das unangenehm?»
…lautet die erste und einzige Frage des Stücks, und die wird auch nur als provokativer Cliffhanger am Beginn des Pressetextes gestellt. Wirklich peinlich ist den Figuren in Brylas Theaterstück eigentlich nichts. Offenherzig erzählen sie ihre Erfahrungen und Gedanken zum Thema Sex und Gewalt. Da ist die Ökonomin VW, deren künstlerische Ambitionen für das Stück von ihren Mitspieler_innen gnadenlos torpediert werden. L, die Lesbe, lässt den Macho raushängen, die Zahnärztin Z scheint nicht nur ihre Patient_innen gerne in Trance zu versetzen, sondern versteht es auch, ihre Schauspielkolleginnen zu verwirren. N hat als talentierte Filmemacherin eigentlich keine Lust, Gewalt in ihren Filmen zu zeigen, möchte sich den Spannungsbogen aber auch nicht versauen. Sexuologin S kennt die Prinzipien des Sex-sells-Konzepts ebenso, sie fertigt Dildos aus Teig an, um damit sehr erfolgreich anale Spasmen zu heilen. Dazwischen reflektiert das Opfer K ihre Gewalterfahrungen.
Magdalena Klein, Minhoi Me, Valerie Strassberg, Anna Tinschert, Dolores Winkler und Svenja Wolff spielen die freakigen Frauen, Bryla und die Filmemacherin Nicole Szolga führen Regie.
Katherin Bryla lebt und arbeitet als Schriftstellerin in Wien, Warschau, Leipzig und Berlin. «Interviews mit freakigen Frauen» ist ihr erstes Theaterstück, seit 2012 studiert sie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und gibt seit kurzem gemeinsam mit Studienkolleg_innen die Zeitschrift «PS: Anmerkungen zum Literaturbetrieb – Politisch Schreiben» heraus. Damit soll in den künstlerischen Schreibprozess politische Haltung eingebracht werden. Zweieinhalb Jahre hat sie am Stück gefeilt, den letzten Schliff brachten die Gespräche und Vorarbeiten für die Uraufführung im EKH.
Nicole Szolga hat sich mit dem Thema Sex und Gewalt bereits in einem Kurzfilm auseinandergesetzt, ihre Dokumentation «Why She Refused to Play in a Rapist Scene» aus dem Jahr 2009 stellt sich der Frage, ob und wie Gewalt im Film darstellbar ist.
Die Raum- und Bühnengestaltung übernimmt Eva Grün, die immer wieder fürs Odeon Theater als Bühnenbildnerin tätig ist und deren Bilder zuletzt im Rahmen ihrer Ausstellung «Irrdisch» ebenfalls im Odeon Theater zu sehen waren.
Sex = Gewalt = Ökonomie
«Freakige Frauen» liest sich wie das Skript einer zensurierten Folge der Barbara Karlich Show. Dabei wird aber nur scheinbar Intimstes ausgeplaudert, denn eigentlich sind es keine privaten Details, die in Brylas Stück preisgegeben werden, sondern präzise Zustandsbeschreibungen gegenwärtiger Gewaltdiskurse, wie wir ihnen persönlich, medial und politisch ständig ausgesetzt sind. Und während Wallace’ Erzählband sich den immer gleichen Themen widmet, geht Bryla in ihren fiktiven Interviews facettenreicher vor. Das liegt sicher auch an der politischen Haltung, die ihr Schreiben kennzeichnet und den Texten einen kämpferischen Unterton verleiht. Die Frauen in Brylas Stück sind Platzhalterinnen für den alltäglichen Wahnsinn einer Gesellschaft, in der Sex eine Ware ist, die den neoliberalen Gesetzen von Angebot und Nachfrage folgt. Beiden gemeinsam ist die distanzierte Form der Beschreibung, die Interviews lesen sich wie Fallstudien psychotherapeutischer Sitzungen, schonungslos, aber auch emotionslos. Dass ihr Stück missverstanden werden könnte, ist Bryla durchaus bewusst, deshalb würde sie den Text auch nicht ohne ihre Mitwirkung aufführen lassen.
Rilkes Panther in der Theaterkassa
Mitten im Stück gibt ein Gedicht von Rainer Maria Rilke Rätsel auf, der Klassiker der Schullektüre wird zitiert. Weil wir alle ein unfreies Leben führen, ganz wie der schwarze Panther hinter seinen Käfigstäben? Auch, aber vor allem geht es darum, die Stäbe als selbstgebaute Denkstäbe zu verstehen, die uns oft blockieren.
Für Bryla liegt die Chance des Theaters in kollektiven Arbeitsprozessen. In der aktuellen Inszenierung ist damit auch einiges an unbezahltem Engagement mit eingeschlossen. Die Realisierung musste selbstfinanziert werden, bislang hat die öffentliche Hand noch keine monetäre Unterstützung zugesagt. Und diese mangelnde Förderbereitschaft für freie Theaterprojekte ist wirklich peinlich.
6. und 7. November, Einlass: 19 Uhr
EKH, Wielandgasse 2-4, 1100 Wien
Tickets nur an der Abendkassa