Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (134)
Hüseyin möchte nicht über die bevorstehenden Wahlen schreiben. Eher über seine Erfahrungen im August in der Türkei beim Besuch bei seinen Eltern. Es sind keine Freunde mehr da. Die meisten sind entweder in den Großstädten der Türkei oder im Ausland. Wenn sie in den kurdischen Teil der Türkei fahren, führt sie ihr Weg gleich ins Dorf. Sie sind wie die Zugvögel. Sie fahren dorthin, wo sie entstanden sind. Sie können sich schwer in den neuen Heimaten integrieren. Herr Hüseyin hat auch sehr lange gebraucht, bis er sich in Wien integrieren konnte. Lange Zeit war er in jedem Traum in seinem Dorf oder ist über das Dorf hinweggeflogen.
Der Grund seiner Fahrten in die Türkei sind eigentlich seine alten Eltern. Am Tag ging Hüseyin bei Hitze oft ins Zentrum der Stadt, mit der Hoffnung, irgendjemanden aus seinem Dorf zu treffen. Aber in dieser Hitze kam keiner in die Stadt. Viele unglückliche Menschen waren in diesem stickigen Wetter in Elazığ unterwegs. Hüseyin sieht keine glücklichen Menschen mehr in dieser Stadt seiner Eltern.
In Sommernächten gibt es oft Hochzeitsfeste. Die Davul (eine große Trommel) und die Zurna (schalmeiartiges Instrument) oder öfters auch die Klarinette werden bis ein Uhr in der Nacht gespielt. Es ist nicht an Schlaf zu denken. Die Fenster kann man nicht zumachen. Bevor die Sonne aufgeht, sind alle Muezzine an der Reihe mit ihren Gebetsgesängen von den Minaretten der Moscheen, von denen es sehr viele in dieser Stadt gibt. Bei jedem Nachrichtenprogramm ist der Präsident der Türkei dran. Dann sind sehr viele Serien im TV, die die Mutter und der Vater Herr Hüseyins sich anschauen. Obwohl er versucht hat, die Eltern von den indischen Telenovelas zumindest für diese Besuchszeit fernzuhalten, wollte es ihm nicht gelingen. Die Eltern leben mit den Protagonisten dieser Serien mit. Ihre eigene Vergangenheit sei tausendmal trauriger als diese Serien, versucht Hüseyin ihnen bewusst zu machen. Aber es gelingt ihm nicht.
Für einen Tag fährt er mit seinem jüngeren Bruder ins Dorf. Dort erfährt er, dass vor zwei Wochen unterhalb des Dorfes vier Guerillakämpfer von türkischen Spezialeinheiten umgebracht worden sind. Drei Tage lang hat man um das Dorf herum mit schweren Geschützen von den Militärhubschraubern aus das Terrain bombardiert und beschossen. Alle im Dorf haben Angst.
Herr Hüseyin wünscht sich eine freie, demokratische Gesellschaft.