Teurer Wohnen mit ÖVP und FPÖtun & lassen

Fällt das Lagezuschlagsverbot, drohen saftige Mietsteigerungen

Die Bundesregierung mag keine Mieter_innen. Dafür schätzt sie das Eigentum. Vor allem auf die Bewohner_innen von Gründerzeitbauten kommt 2019 einiges zu.

Von Christian Bunke

Nur weil noch nichts passiert ist, heißt das nicht, dass keine Katastrophen vor der Tür stehen. So ähnlich lässt sich die Reaktion aus der Arbeiterkammer zusammenfassen, fragt man nach der Wohnpolitik unserer heiß geliebten Bundesregierung. Tatsächlich hat man sich einiges vorgenommen. Schließlich kommen vielen Großspender_innen, vor allem die der ÖVP, aus der Immo-Branche. Und diesen Leuten hat die Regierung in ihrem Programm auch einiges versprochen. Umgesetzt wurde bislang aber wenig. Für Entspannung gibt es jedoch auch keinen Grund.

Laut der UN-Menschenrechtskonvention ist das «Recht auf Wohnen» ein Grundrecht, welches für alle Menschen zu gelten hat. Im Regierungsprogramm ist jedoch nur von einem «Grundbedürfnis» die Rede. Wie soll dieses befriedigt werden? Man lese und staune: «Langfristig ist Eigentum die angestrebte und günstigste Form des Wohnens. Wir müssen alles unternehmen, dass wieder vermehrt Wohnraum in Eigentum erworben werden kann, denn Eigentum ermöglicht ein selbstbestimmtes, abgesichertes Leben.»

Unmittelbare Bedrohung.

Das Wohnen im Eigenheim ist in Österreich ein eher ländliches Phänomen. In Kleinstädten wohnen laut dem Stadtentwicklungsforscher Justin Kadi nur drei von zehn Haushalten in Mietwohnungen. In Wien hingegen steigt diese Zahl auf acht von zehn Haushalten. Vier von zehn österreichischen Mieter_innen wohnen wiederum in Wien. Wenn die Bundesregierung also das Eigentum fördern möchte, können vor allem Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen dies nur als Drohung auffassen.

Die größte unmittelbare Bedrohung liegt lauf dem AK-Immobilienexperten Lukas Tockner in der geplanten Abschaffung des Lagezuschlagsverbotes. Zwar sei noch nichts umgesetzt, es sei auch noch kein entsprechender Entwurf im Nationalrat eingebracht oder in Begutachtung gegeben worden. Doch der Plan existiere und bereite der Arbeiterkammer große Sorgen.

Was sind Lagezuschläge?

1994 führte die damalige Bundesregierung Lagezuschläge ein – ein großzügiges Geschenk an Vermieter_innen. Lagezuschläge ermöglichen Mietsteigerungen, ohne dass eine Hausbesitzerin etwas dafür tun muss (wie zum Beispiel eine Sanierung). Nehmen wir mal an, in deinem Bezirk wird eine neue U-Bahn-Linie gebaut. Sofort steigt der Wert des Bodens in deiner Nachbarschaft massiv an. Eine Vermieterin kann diese Wertsteigerung dann in einen «Lagezuschlag», also eine Mietsteigerung ummünzen. Aus Steuergeldern finanzierte Verbesserungen der Lebensqualität werden so zum privaten Reichtum weniger auf Kosten vieler steuerzahlender Menschen, die obendrein als Mieter_innen geschröpft werden.

Doch etwas bereitet der Immo-Branche gewaltige Zahnschmerzen. Die Bundesregierung von 1994 hat nämlich die Gründerzeitbauten von Lagezuschlägen ausgenommen. Somit sind zum Beispiel große Teile von Rudolfsheim-Fünfhaus von Lagezuschlägen befreit, obwohl man dort zentrumsnah wohnt und öffentlich gut angebunden ist.

Dagegen klagten diverse Hausbesitzer_innen in Wiens 15. Gemeindebezirk. Doch im November 2016 beschied der Verfassungsgerichtshof: «Das Verbot von Lagezuschlägen in Gründerzeitvierteln dient dem sozialpolitischen Ziel, Wohnen in zentrumsnaher städtischer Lage zu Preisen zu ermöglichen, die es auch Personen mit mittleren Einkommen erlauben, ihren Wohnbedarf in dieser Lage angemessen zu decken.»

Solidarität ist Selbstschutz.

Das ist jetzt natürlich nicht «marktkonform», ein Begriff, den man im Regierungsprogramm immer wieder findet, wenn es um die Wohnpolitik geht. Noch schlimmer: Vom Verbot der Lagezuschläge bei Gründerzeitbauten profitieren vor allem Arbeiter_innen und Migrant_innen, die man als Polizeipferd reitendes Regierungsmitglied eher weniger ausstehen kann. Die Lösung soll eine Gesetzesänderung bringen. Geplant war das ursprünglich schon für Anfang 2019, doch die Sache hat sich verzögert. Ein entsprechender Arbeitskreis der Koalition tagt noch hinter verschlossenen Türen, man ist sich scheinbar über manches noch nicht einig.

Positiv betrachtet entsteht nun ein Zeitfenster, um sich jetzt schon gegen die Grauslichkeiten von morgen zu organisieren. Denn fällt der Schutz vor Lagezuschlägen, wird es in Fünfhaus, Ottakring oder auch Hernals für viele Menschen ungemütlich. Dann drohen laut der Wiener Mietervereinigung plötzliche Mietsteigerungen um bis zu 60 Prozent. Entlang des Wiener Gürtels stehen zahlreiche Gründerzeitbauten. Und wenn die U-Bahn-Verlängerung Richtung Hernals kommt, werden die Grundstückspreise nochmal ordentlich anziehen. Teilweise tun sie es jetzt schon.

Wer jetzt meint, nicht davon betroffen zu sein, nur weil man nicht in einem Gründerzeitbau wohnt, irrt, sagt zumindest die Mietervereinigung. Sie rechnet beim Fall des Lagezuschlagsverbotes auch außerhalb der Gründerzeitviertel mit «deutlichen» Preissteigerungen. Deswegen ist ja Solidarität auch reiner Selbstschutz: Selbst wenn es einen nicht direkt erwischt, indirekt wird man oftmals doch getroffen.